Berlin Meister der Zuspitzung: Maler Johannes Grützke tot

Berlin · An seinem Selbstbildnis erkennt man die Intention des Künstlers, der behauptete, Malen sei Denken und der Pinsel für ihn nur ein Forschungswerkzeug, Wie Johannes Grützke sich 2009 mit Öl auf Leinwand verewigt hat, das ist grotesk überspitzt und vergröbert: Ein Auge ist angeschnitten, die Lippen sind geschürzt. Es könnte auch eine Karikatur sein, die freilich meisterhaft in Tönung und Pinselstrich ist.

Sich selbst nicht wichtig nehmen, in jedem Bild ein wenig das Bild der Gesellschaft spiegeln. Das war das hintergründige Prinzip des mit Ironie angereicherten Realismus von Johannes Grützke, der gestern 79-jährig in seiner Heimatstadt gestorben ist. Anders als die meisten Künstler seiner Zeit verschrieb sich der Berliner dem Gegenständlichen - in einer Zeit, in der die Schrecken des Krieges nachwirkten und weiße Leinwände für Furore sorgten.

Um sich gegen die Übermacht der Abstraktion in der Nachkriegszeit zur Wehr zu setzen, gründete Grützke mit drei Kollegen die "Schule der neuen Prächtigkeit" - als Protestzeichen dagegen, dass man die Gegenständlichen von Ausstellungen damals weitgehend ausschloss.

Doch der Maler und Grafiker Grützke fand genügend Bewunderer seiner theatralischen Inszenierungen auf Leinwand - Porträts, Akte oder Stillleben, in denen Kokoschka als einer seiner Lehrer stilistisch durchscheint. Tausenden Blicken ist sein Auftragswerk für die Frankfurter Paulskirche ausgesetzt, ein 32 Meter langes Rundbild, das 160 schwarzgemalte Männer zeigt.

Grützke machte Musik, und meisterhaft agierte er als Bühnenbildner; in seiner langen Gemeinschaft mit Regisseur Peter Zadek schuf er das Bühnenbild zur legendären Urfassung von Wedekinds "Lulu".

(RP)
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