"Jules und Jim" - der Versuch einer reinen Liebe zu dritt

Henri-Pierre Roché ist bereits über 70 Jahre alt, als er mit dem Roman "Jules und Jim" sein literarisches Debüt veröffentlicht. Das war 1953. Und es kommt, wie es den meisten Fällen so geschieht: Sein Roman wird von Medien und Lesern weitgehend ignoriert.

Doch auch Bücher haben bisweilen ihre Schicksale. Und so findet das fast schon vergessene Werk Regisseur Francois Truffaut in einer Grabbelkiste vor einer Buchhandlung irgendwo in Paris. Truffaut ist auf Anhieb fasziniert, doch als sein heute legendärer Film im Jahre 1962 in die Kinos kommt, ist Henri-Pierre Roché schon seit drei Jahren tot.

Die Faszination des Romans liegt in seiner radikalen Genauigkeit und stilistischen Brillanz. Es wirkt, als würde Roché jedes Wort aus einem Steinbruch von Sätzen heraushauen. Die Freundschaft zwischen dem deutschen Schriftsteller Jules und dem französischen Kunstsammler Jim überwindet Krieg und Politik und all die bisweilen vergifteten Ideologien. Das spannende und unruhige an dieser Geschichte: Ständig sind die beiden unterwegs, diskutieren über Kunst und Literatur, verlieben sich in dieselben Frauen und schließlich auch in Kathe.

Roché schildert ohne für irgendwen oder irgendetwas Partei zu ergreifen, wie eine "reine Liebe" zu dritt gelebt werden könnte - und schließlich in den Tod führen kann.

Hinter Jim - man ahnt es früh - steckt kein anderer als der Autor selbst. Jules ist ein Porträt des deutschen Schriftstellers Franz Hessel, und Kathe eine romanhafte Variante von Hessels Frau Helene. Ihr gemeinsamer Sohn, der vor gut drei Jahren gestorbene Stéphane Hessel, wurde ebenfalls berühmt: als Résistance-Kämpfer, als Mitarbeiter an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie Autor des Essays "Empört Euch!", der 2010 ein Millionenpublikum erreichte. Und nun also "Jules und Jim", das in der Neu-Übersetzung von Patricia Klobusiczky seine zeitlose Schönheit offenbart.

(RP)
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