Berlin Ewiges Eis zum Auftakt der Berlinale

Berlin · Juliette Binoche als Arktis-Pionierin eröffnet heute Abend das Filmfestival.

Internationale Filmfestspiele Berlin: Die Berlinale-Jury 2015
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Das sind die Jury-Mitglieder der Berlinale 2015

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Größenwahnsinnige haben ihn schon immer gereizt. Menschen, die sich selbst so überschätzen, dass sie Pioniertaten vollbringen. Und scheitern, aber grandios. In "Fitzcarraldo" hat Werner Herzog von so einem Genie erzählt, das im brasilianischen Urwald eine Oper gründen will und spektakulär strandet. In seinem neuen Film "Queen of the Desert" porträtiert der wohl verkannteste deutsche Regisseur, der seit 20 Jahren in Los Angeles lebt, eine Frau: die britische Archäologin, Schriftstellerin und Nahost-Erkunderin Gertrude Bell. Bei der Berlinale, die heute Abend beginnt, hat der Film Premiere.

Bell spionierte während des Ersten Weltkriegs für den britischen Geheimdienst und tat sich in Regionen der Welt um, in die sich damals nicht mal viele Männer wagten. Nicole Kidman spielt diese Strippenzieherin des britschen Kolonialreichs, und auch "Twilight"-Star Robert Pattinson stand vor Herzogs Kamera. So beschert der aus den USA anreisende Deutsche dem Festival gleich ein paar Glamour-Hochkaräter für den roten Teppich. Und einen Film, der zum heimlichen Titel passt, den Berlinale-Chef Dieter Kosslick alljährlich ausruft: "Starke Frauen in extremen Situationen" - darum soll es diesmal gehen in vielen der 441 Filme, die bis zum 15. Februar zu sehen sein werden.

Gleich der Eröffnungsfilm passt in das Konzept: Die spanische Regisseurin Isabel Coixet erzählt in "Nobody Wants the Night" von der Gattin des berühmten Arktis-Forschers Robert Peary, die zu ihrem Mann ins Ewige Eis aufbricht. Ihre Expedition ist verlustreich, am Ende ist Josephine im Basislager mit einer Inuitfrau allein. Kulturen treffen aufeinander - und eine mutige Frau muss den begrenzten Wert gehobener Bildung in feindlicher Natur erkennen. Juliette Binoche spielt diese Pionierin - eine glänzende Vertreterin des europäischen Kinos wird also heute Abend das Gesicht der Berlinale sein. Neben ihr haben die Mitglieder der Jury ihren ersten Auftritt, darunter Audrey Tautou und Daniel Brühl. Den Vorsitz übernimmt US-Regisseur Darren Aronofsky .

In den nächsten Tagen werden weitere internationale Stars erwartet: Cate Blanchett, Natalie Portman, Christian Bale, Helen Mirren und James Franco etwa. Neben Herzog zeigen Regisseure wie Kenneth Branagh und Terrence Malick neue Werke. Auch der deutsche Film ist gut vertreten: Arbeiten von Andreas Dresen, Sebastian Schipper und Oliver Hirschbiegel sind zu sehen. Wim Wenders bekommt den Ehrenbären und zeigt einen neuen Spielfilm in 3D. Mit "Taxi" wird außerdem ein heimlich im Iran gedrehter Film des Regimekritikers Jafar Panahi zu sehen sein. Wie schon vor vier Jahren, als der Iraner in der Berlinale-Jury sitzen sollte, wird er seine Heimat nicht verlassen dürfen. Dass sein Film überhaupt nach Deutschland gelangen konnte, ist schon eine Sensation. Die Berlinale bemüht sich um Künstler wie Panahi. Das Festival gilt von jeher als politisch und will sich so von den glamouröseren Konkurrenten in Cannes oder Venedig abheben. Dazu passt auch die Ankündigung, dass Ai Weiwei von Peking aus mit Til Schweigers Hilfe einen Kurzfilm drehen möchte: eine Liebeserklärung an Berlin.

(RP)
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