Eine Frage Des Stils Kampf den Zeitdieben

Immer ziemlich genau zehn Minuten sind es, die der Kollege zu Besprechungen zu spät kommt. Im Grunde keine lange Zeit, aber doch nicht wenig, wenn eine Konferenz auf nur eine Stunde angesetzt ist. Der Kollege kommt dann mit dem Handy in der Hand in den Raum, nuschelt etwas von nicht unterbrechbaren Telefonaten und zu beantwortenden Mails - und nervt alle fürchterlich. Nervtötend ist auch die Freundin, die zu Essenseinladungen oder Kaffeeverabredungen zuverlässig zu spät kommt. Die Nägel, die noch nicht trocken waren, die Zeit, die sie einfach vergessen hat - das sind ihre Gründe fürs Zuspätkommen. Von echtem Bedauern keine Spur. Ist es kleinlich, solche Zuspätkommer doof zu finden? Sind zehn Minuten mehr oder weniger am Ende vielleicht gar kein Problem?

Klar ist: Wir reden hier nicht von unverschuldetem zu spät kommen. Wer eine Reifenpanne hat, die Bahn verpasst, weil er auf dem Weg dorthin gestürzt ist, oder sich noch um das schreiende Kind kümmern muss, kann nichts dafür und ist entschuldigt. Ansonsten ist es doch so: Wenn zwei Menschen sich für den Zeitpunkt X verabreden, haben sie sich auch darauf verständigt, dem jeweils anderen ein Teil seiner Zeit zu schenken. Dann nicht zum abgemachten Zeitpunkt aufzutauchen, ist respektlos. Denn wenn das öfter passiert, zeigt es überdeutlich, dass es dem Zuspätkommer an Wertschätzung für sein Gegenüber mangelt. Viele von diesen Zuspätkommern reden sich gern raus, sagen, sie seien doch nur schlecht organisiert und hätten die Uhr nie im Blick. Das macht es aber nicht besser. Wer weiß, dass er eine Schwachstelle hat in Sachen Pünktlichkeit, der muss an ihr arbeiten und sich vielleicht selbst überlisten: mit Erinnerungen im Handy beispielsweise, die in regelmäßigen Abständen an das Treffen erinnern - daran, die Tasche zu packen, die Bahn zu nehmen und schlussendlich pünktlich am Treffpunkt zu sein.

Was nicht geht: freihändig über die Zeit von anderen Menschen zu verfügen, ihnen Zeit zu stehlen. Dazu ist sie zu wertvoll.

Haben Sie eine Frage des Stils? Dann mailen Sie an: stilfrage@rheinische-post.de

(RP)
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