Bayreuth Katharina darf weiter in Bayreuth regieren

Bayreuth · Ein Urteil klärt die Nutzung des Bayreuther Festspielhauses und weist eine Klage von Nike Wagner ab, die mehr Einfluss erlangen wollte.

Das Wort von der Schlangengrube ist unter dieser Adresse ein Euphemismus. "Festspielhügel 1-2 in 95445 Bayreuth" - das ist die Anschrift eines Sündenpfuhls, wie Deutschland keinen zweiten kennt. Es geht natürlich um die Familie Wagner, bei der man nicht von Verwandtschaft, sondern von Brut sprechen sollte. Sie tragen noch heute aus, was vor Generationen als Keim des Unfriedens gesät wurde. Sie gönnen einander keinen Zentimeter Lufthoheit über ihren markanten Nasen, die seit je das (vom Urgroßvater ererbte) Erkennungszeichen des Wagner-Clans sind.

Gestern waren die Geschütze wieder einmal mit anwaltlicher Unterstützung aufgefahren. Es ging um die nur vordergründig banale Frage, wer im Festspielhaus das Sagen hat. Diese Machtansprüche werden schon seit Jahrzehnten ausgetragen, nur hingen diesmal noch ganz andere Parteien an der Strippe. Jedenfalls haben die Angehörigen von Wieland Wagner (einem der beiden Wagner-Enkel) im Ringen um Einfluss auf dem Grünen Hügel in Bayreuth eine juristische Niederlage erlitten. Das Landgericht Bayreuth wies die Klage von Wielands Tochter Nike Wagner, ihren Geschwistern und ihrer Tante Verena Lafferentz-Wagner ab.

In dem Streit ging es um den Mietvertrag des Festspielhauses - und um das Prozedere, wie die Festspielleitung bestimmt wird. Das berühmte Operngebäude gehört der Richard-Wagner-Stiftung. Im Stiftungsrat sitzt auch die Familie Wagner, aber Bund und Freistaat Bayern haben dort die Mehrheit. Die Stiftung hat das Haus bis zum Jahr 2040 an die Festspiele GmbH vermietet - zu deren Gesellschaftern wiederum Bund und Freistaat gehören. Aufgrund der ausgehandelten Details können Bund und Land daher nun fast allein über die Festspielleitung entscheiden. Das haben sie getan und vor geraumer Zeit Katharina, die Tochter Wolfgang Wagners aus zweiter Ehe, im Amt der Leiterin bestätigt.

Das aber passte den Kindern Wieland Wagners nicht. Zu ihnen gehört die Leiterin des Bonner Beethovenfestes, Nike Wagner. Auch Wielands Schwester, Verena Lafferentz-Wagner, hatte sich angeschlossen. Die Angehörigen wurden durch den früheren Linke-Fraktionschef Gregor Gysi vertreten. Sie klagten gegen den Vertrag, denn in der Festspielsatzung (Paragraf 8) der Stiftung steht, dass ein Mitglied der Familie Wagner ein Vorrecht auf die Leitung habe. Das sei, so die Sicht der Kläger, nun untergraben.

Denn Bund und Freistaat Bayern gehören nicht nur zu den Vermietern, weil sie im Stiftungsrat sind, sondern sind als Gesellschafter der GmbH auch Mieter. Durch diese Doppelrolle könnten sie die Familie Wagner umgehen. Die Kläger wollten, dass der Mietvertrag gekündigt werden kann, wenn die GmbH - also der Mieter - sich nicht an die Stiftungssatzung, vor allem an Paragraf 8, hält. Doch eine Nebenregelung zum Mietvertrag legt fest, dass dieser nicht gekündigt werden kann, selbst wenn gegen den Paragrafen verstoßen werden würde. Ein erster Verkündungstermin des Gerichts am 17. November war verschoben worden, um den Streitparteien mehr Zeit für eine Einigung zu geben. Die Gütevorschläge des Gerichts führten aber nicht zum Ziel.

Wieland Wagner hatte die Richard-Wagner-Festspiele von 1951 bis 1966 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Wolfgang geleitet. Nach seinem Tod übernahm Wolfgang Wagner allein die Führung. Inzwischen ist dessen Tochter Katharina die alleinige künstlerische Leiterin. Für einige Jahre hatte sie mit ihrer Stiefschwester Eva Wagner-Pasquier (Wolfgang Wagners Tochter aus erster Ehe) die weltberühmten Festspiele geleitet, doch diese Liaison wahrte die Form nur nach außen hin; in Wirklichkeit war sie nichts anderes als eine Abwehr Nikes. Die ist deshalb so gefährlich, weil sie im Clan die einzige Intellektuelle ist, die eine musikwissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit Wagner zu leisten imstande wäre. Katharina ist eine medial gestählte Regisseurin mit einigen geistreichen Ansätzen, Eva versteht viel von Stimmen. Im Sinne einer Erneuerung der Festspiele wäre es am besten, Nike käme mit ins Boot. Aber wie gesagt: An dieser Bayreuth-Tradition klebt Blut, und eher geht der Freistaat Bayern an Österreich, als dass die Wagners zueinander finden.

(w.g.)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort