Bonn Kommunion für alle

Bonn · Die deutschen Bischöfe erklären, dass auch wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen das Abendmahl empfangen dürfen.

Wer die bedächtigen Wege theologischer Entscheidungsfindungen kennt und um die feingliedrige Kunst der kirchendiplomatischen Sprache weiß, ahnt, welcher Kraftakt dieses Dokument vom gestrigen Tage gewesen sein muss: das Schreiben der deutschen Bischöfe, die Kommunion und Buße auch für wiederverheiratete Geschiedene möglich machen wollen. "Im Umgang mit den wiederverheiratet Geschiedenen muss deutlich werden, dass sie zur Kirche gehören, Gott ihnen seine Liebe nicht entzieht und sie gerufen sind, die Gottes- und Nächstenliebe zu praktizieren und echte Zeugen Jesu Christi zu sein", heißt es in dem Schreiben.

Was sich so technokratisch und verklausoliert anhört, ist theologisch keine Kleinigkeit. Schließlich sind Buße und Eucharistie Sakramente, die Menschen nun wieder zugänglich sein sollen, die nach gescheiterter und amtlich neu geschlossener Ehe dem katholischen Kirchenverständnis nach in ewiger Sünde leben.

Doch auch die deutschen Bischöfe sind keine Revoluzzer der Weltkirche. Und so berufen sie sich vehement auf das 300seitige Apostolische Schreiben "Amoris laetitia", mit dem Papst Franziskus die Beratungen der Familiensynode 2014 und 2015 zusammenfasste. "Bodenhaftung" versprach Franziskus im Vorwort seines Schreibens, mit dem er den Ortskirchen neue pastorale Spielräume in der heiklen und drängenden Frage gab. So könnten Priester und Bischöfe nach Prüfung der Betroffenen einen Kommunionsempfang ermöglichen. Unter Papst Benedikt XVI. war eine solche Option noch undenkbar.

Das "Wort der deutschen Bischöfe" geht über "Amoris laetitia" kaum hinaus; dass es aber die Ermutigung von Franziskus aufgreift, ist schon allerhand. Schließlich wird "Amoris laetitia" in konservativen Kirchenkreisen ungewöhnlich scharf kritisiert. So gab es einen regelrechten Protestbrief gegen den Papst. "Wir haben eine ernste Verunsicherung vieler Gläubiger und eine große Verwirrung festgestellt", schrieben vier hochrangige Kirchenmänner. Dass Franziskus in "Amoris Laetitia" eine Abkehr von der bisherigen Lehre im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen andeutet, kommt für sie einem Verrat am Evangelium gleich. Unter den "Inquisitoren" finden sich gleich zwei Deutsche: Walter Brandmüller sowie der frühere Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner. Dass alle vier bloß "Ruheständler" sind, macht ihre Papst-Kritik keineswegs kleiner. Sie sind, so wird vermutet, nur der Schutzschild für etliche aktive Kardinäle mit vergleichbarer Meinung.

Das Schreiben der Deutschen ist klug und abwägend. In ihm wird der Wert der Sakramente als "eine Gabe für die Heilung und Erlösung der Eheleute" gesehen. Ehe und Familie seien in diesem Sinne eine Kirche im Kleinen, eine Art Hauskirche. Die Unauflöslichkeit der Ehe bleibt unstrittig. Und was, wenn es doch geschieht und das Ehesakrament gebrochen wird? Ein Ausschluss vom Abendmahl dürfe selbst dann nicht kategorisch und irreversibel sein, heißt es. Man könne demnach durchaus in der Gnade Gottes leben, wenn man die Hilfe der Kirche bekommt und in gewissen Fällen auch die Hilfe der Sakramente. "Auch dies spricht für die Möglichkeit des Sakramentenempfangs in diesen Situationen."

Das Bischofswort hat - wen wundert's - viel Zustimmung von jenen erfahren, die um Reformen und zeitgemäße Antworten der Kirche bemüht sind. Dazu gehört das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Sein Präsident, Professor Thomas Sternberg, ließ verlauten, dass darauf "viele katholische Frauen und Männer lange und unermüdlich gewartet und dafür gebetet" hätten. Überwiegend Lob gab es sogar von der Kirchenvolksbewegung von "Wir sind Kirche".

Dementsprechend giftig sind die Reaktionen von der anderen Seite, insbesondere der Kurie. Kardinal Gerhard Ludwig Müller - er ist Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation - erklärte gestern sehr zeitnah in einem Interview der italienischen Zeitschrift "Il Timone". dass es nicht korrekt sei, wenn viele Bischöfe "Amoris laetitia" gemäß ihrer eigenen Vorstellung von der Lehre des Papstes auslegten. Dies sei nicht mit der Doktrin vereinbar. "Der Papst interpretiert die Bischöfe, es ist nicht an den Bischöfen, den Papst zu interpretieren", so Müller.

(los)
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