Düsseldorf Krieg in Bullerbü: Kirsten Boie erzählt von der Flucht

Düsseldorf · Die renommierte Kinderbuch-Autorin berichtet in "Bestimmt wird alles gut" von einer syrischen Flüchtlingsfamilie.

Die eindringlichste Szene spielt auf dem Schiff. Die kleine Rahaf sitzt mit ihren Eltern an Deck, sie sind auf der Flucht, und nun ist es Nacht geworden. Auf dem Meer weht ein scharfer Wind. "Mir ist kalt", sagt das Mädchen, aber als ihr Vater die Jacke aus dem Rucksack holen will, merkt er, dass das Gepäck nicht da ist. Die Schlepper haben es an Land zurückgelassen. So passten noch mehr Menschen auf das ohnehin überfüllte Schiff.

Kirsten Boie erzählt diese Episode in ihrem neuen Bilderbuch "Bestimmt wird alles gut", das sich an Kinder ab sechs Jahre richtet. Boie ist eine der erfolgreichsten Kinderbuch-Autorinnen Deutschlands, von ihr stammt etwa die "Ritter Trenk"-Reihe, und nun erklärt sie ihren jungen Lesern, was Flüchtlinge sind, was sie erlebt haben und wie schmerzhaft es ist, von daheim wegzumüssen.

Boie hat selbst in einer Flüchtlingseinrichtung geholfen, dort lernte sie die Familie kennen, deren Flucht sie beschreibt. Im Grunde ist das also eine Reportage, und tatsächlich berichtet Boie einfach, sie würzt nicht nach, verzichtet auf jede Tendenz. Rahaf lebte im syrischen Homs mit ihrer Großfamilie in einem Haus, und die vielen Kinder spielten auf den vier Etagen wie in einer Art großstädtischem Bullerbü. In der Schule warnte irgendwann der Hausmeister, dass Flugzeuge kommen, und sie ließen Bomben auf das Leben fallen. Das passierte fortan häufiger, es war Krieg.

Rahafs Vater, der in der Heimat als Arzt arbeitete, beschloss, mit der Familie zu fliehen, und nach langer, beschwerlicher Reise kamen sie in Deutschland an, im Flüchtlingsheim. Das Buch ist zweisprachig, Deutsch und Arabisch, am Ende gibt es ein Glossar in Lautsprache, und Jan Birck hat die Geschichte illustriert, der Zeichner der "Wilden Fußballkerle". Am Freitag ist es im Klett-Kinderbuch-Verlag erschienen, quasi übers Wochenende wurden 9000 Exemplare verkauft, nun werden 15.000 nachgedruckt.

Das ist ein gutes Buch, weil es uns spüren lässt, wie sich Flüchtlinge fühlen. Und es zeigt, wie wichtig kleine Gesten sind. Am zweiten Schultag im fremden Land kommt ein Mädchen auf Rahaf zu. Es spricht mit ihr, es lehrt sie die Wörter, die sie braucht, und es stellt ihr die Mitschüler vor. Am Ende hat Rahaf immer noch Heimweh. "Aber bestimmt geht das eines Tages vorbei", heißt es dann. Das ist das Tröstliche an diesem schmalen Buch - dass da nämlich ein Wort steht, das Hoffnung und Zuversicht ausdrückt: "Bestimmt."

(hols)
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