Serie: Top 10 der Architektur in NRW (3) Kult-Kapelle in der Eifel

Wachendorf · Die Feldkapelle von Peter Zumthor in Wachendorf ist weltberühmt. Sie wurde zur Pilgerstätte für Architekturfans.

Zwischen Stoppelfeldern und windzerzausten Bäumen ist es eine Landmarke. Das Gotteshaus liegt versteckt in der rauen Eifellandschaft. Hügelig sind die Wiesen, ein Fußpfad führt direkt zur Anhöhe. Darauf erhebt sich die mittlerweile weltberühmte Kapelle, die der Schweizer Architekt Peter Zumthor (71) im Auftrag eines für sein Leben dankbaren Bauern entwarf - für Gottes Lohn. Nicht nur fromme, sondern auch Tausende architekturbegeisterte Menschen pilgern seit der Eröffnung im Jahr 2007 dorthin. Die Feldkapelle ist Kult.

Aus der Ferne denkt man, es könnte auch ein Turm sein oder ein Silo. Der strenge Betonmeiler in der Farbe von Eifeler Flusssand wurde über einem fünfeckigen Grundriss errichtet. Modern ist der Baukörper, schmucklos, hermetisch - aber nicht abweisend. Das aufragende Gebäude hat keine Fenster, stattdessen sitzen in den geschichteten, von Freiwilligen aus der Region nach alter Handwerkstradition gestampften Betonlagen "Einschüsse", die zunächst statische Funktionen erfüllen. Daneben fangen die halbkugeligen Prismen das Licht wie in einem zauberhaften Glasperlenspiel. Für den Zutritt wurde ein scharfkantiges, spitzwinkliges Dreieck ausgeschnitten, eine maßgefertigte Tür aus Edelstahl hineingesetzt. Mit einer unscheinbaren Klinke lässt sich diese Pforte öffnen. Dezent wirkt das als Signal und dient am Ende einem überraschenden Effekt: Der Übergang vom hellen, oft unwirtlichen ländlichen Draußen in das geborgene, düster konstruierte Innere könnte konsequenter nicht gestaltet werden. Der schwarze Raum eröffnet sich als Einsiedelei, als Grotte.

Die zum Lobe Gottes und der Erde sowie zu Ehren des Schweizer Heiligen Nikolaus von Flüe errichtete Feldkapelle ist im Grunde genommen eine Anti-Kapelle. Sie hat nicht einmal ein Dach, sondern vom Boden aus formt sich innen eine Öffnung konkav zum Himmel hin. 112 Fichtenstämme aus den umliegenden Wäldern wurden dazu zeltartig zusammengestellt, um die Stämme herum wurde Beton gegossen. Drei Wochen brannten Köhler ein Mottfeuer ab. Dann zogen die Bauleute die Stämme von der Dachöffnung aus wieder weg. Diese hatten sich aus ihrer Betonform gelöst und dem Stein ihre gebackene Form verliehen, Rillen hinterlassen, die schwarzbraun sind und für immer den Dunst des Feuers bewahren.

Alchemie verbündet sich bei Peter Zumthor mit Architektur. Die "New York Times" bezeichnete ihn als "Mystiker der Architektur". Er strebt das vollendete Bauwerk an wie diese aufwendig hergestellte Kapelle, die zum Ort der Geborgenheit und Gedankenfreiheit wurde, an dem Konzentration und Entrückung möglich sind. Eine Lindenholzbank bietet Sitzgelegenheit, ein schlichter Blechkasten ist mit Sand gefüllt, um Kerzen aufzunehmen. Das Gotteshaus ohne Altar ist rätselhaft und doch klar, archaisch und modern. Jedes für sich auch ein Prinzip des ungewöhnlichen Baumeisters.

Zumthor arbeitet mit den Elementen, kalkuliert und spielt mit Feuer, Licht, Wasser, Erde - er scheut alles Künstliche. Die Handschrift des Architekten scheint intuitiv gelenkt, dabei ausgesprochen künstlerisch. "Ich hab' gedacht, ich mach' da was Kleines", hatte er 1998, zu Beginn der Verhandlungen, gesagt. "Das wird mich nicht viel Zeit kosten. Dann beginne ich eine Arbeit, dann dauert und dauert es, weil ich merke, ich bin da nicht zufrieden." Mehr als acht Jahre hat sich der mit allen bedeutenden internationalen Preisen versehene Schweizer mit dem Entwurf befasst, fast genauso viel Zeit wie er für seinen überwältigenden Kolumba-Museumsneubau in Köln benötigte, der sich über die Ruine der alten Pfarrkirche wie ein moderner Tempel der Kunst stülpt. Am Anfang fehlte Zumthor jede Idee für diese Kapelle, am Ende inspirierte ihn die Landschaft mit ihren weichen, lang geschwungenen Linien und dunklen Wäldern. Für ihn ist ein Gebäude ein Erinnerungsspeicher. Aus der Entstehungsgeschichte erklärt sich der Einsatz der aufwendigen Materialien. Der Boden wurde vor Ort aus flüssigem Zinnblei gegossen, narbenartig wirkt er - wie aus Bronze. Er hält dem den Regen stand.

Zumthors zwölf Meter hoher Kapellenturm respektiert das Gelände. "Entweder der Ort macht das Gebäude oder das Gebäude den Ort", sagt er. In der Eifel galt Letzteres. "Die Kapelle ist für mich wie ein großer Baum oder wie ein Schloss auf Hügeln", urteilt Zumthor.

Beseelt ist der Mensch, der in Stille eintritt zum Gebet. Er steht auf der Erde, aber er spürt die Öffnung und Verbindung zum Himmel.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort