Elbphilharmonie-Ausstellung Kunst am Bau

In den Hamburger Deichtorhallen wird Inspirierendes gezeigt: Arbeiten von 13 Künstlern zur Elbphilharmonie.

Für einen kurzen und sicherlich übermütigen Augenblick könnte man meinen, dass dieses große Haus allein für sie in den Himmel von Hamburg gebaut worden ist - für die Künstler. Und für ihre Inspiration. Damit es am Ende ihnen vorbehalten bliebe, das Werk phantastisch zu vollenden.

Ach was, die Elbphilharmonie ist schon faszinierend und beglückend genug, als dass sie der Fürsprache und der Beglaubigung von Künstlern eigens bedürfte. Dennoch haben sich 13 von ihnen vor Jahr und Tag an die Arbeit gemacht, um uns mit ihrer Kunst jetzt das zu zeigen, was sie in dem derzeit vielleicht berühmtesten Gebäude der Welt sehen, was sie von ihm meinen, welche Kraft sie ihm zutrauen.

So ist also die Hamburger Elbphilharmonie schneller in die Kunst eingegangen, als man denken kann. Aber in notorisch kurzlebigen Zeiten wie den unsrigen ist es von der Einweihung bis zum künstlerisch verewigten Klassiker eben nur noch ein Wimpernschlag.

Dass Künstler rumspinnen dürfen, sei ihnen mehr als gestattet. Dass sie es dann auch wirklich tun, beängstigt. Der Argentinier Tomás Sarabceno hat sich eine Nephila senegalensis - eine dieser feingliedrigen Seidenspinnen - geschnappt und in einem stockfinsteren Zimmer zur Webarbeit animiert. Dabei wird sie von einem Spot erleuchtet und mit ordentlich lauten Bässen angestachelt. Ein unheimliches Netz entsteht, das hier und da an die Konturen der Elbphilharmonie erinnert, mehr allerdings auch nicht. Aber wie gesagt, spinnen darf jeder; und zumindest verlässt man die Dunkelkammer mit einem Gespür fürs Archaische der Baukunst.

Die Spinnen-Werkstatt steht mitten in den feinen Deichtorhallen zu Hamburg, die jetzt unter dem Titel "Elbphilharmonie Revisited" dem Konzertsaal mit Kunst auf den Leib rückt. Doch da findet sich kaum Abstand oder auch Abscheu für den großbürgerlichen Gigantismus. Die Kunst entzündet sich am Bau, aber sie richtet ihn nicht.

Am spielerischsten gehen die Lokalmatadoren vom Künstlerkollektiv Baltic Raw Org ans Werk: mit einem begehbaren Sperrholz-Modell der Elbphilharmonie, das ebenfalls gehörig beschallt wird. Töne vom Hafen, Straßenverkehr, Möwen und so. Klingt zunächst albern, ist aber eine nette, ironische Finte. Schließlich hat man mit intensivster Hilfe des Akustikdesigners Yasuhisa Toyota alle Außengeräusche im Saal eliminiert. Die Kunstkollektiven veranstalten damit einen heiteren Sabotageakt, den sie "Kanalphilharmonie" nennen.

So kann man munter von Werk zu Werk schreiten, um dann vor einem Trümmerhaufen haltzumachen. Eigentlich zwangsläufig, weil die Skulptur des Belgiers Peter Buggenhout fast 15 Meter hoch ist und so fragil wirkt, dass man nach dem Glück, der Spinne entkommen zu sein, nun die Sorge haben muss, von Kunsttrümmern erschlagen zu werden. Der Turmbau zu Babel kommt einem da in den Sinn, was dem Theorie-Ansinnen des Künstlers aber kaum gerecht wird. Der nämlich soll es auf den Bruch der Logik abgesehen und dafür die "Rationalität der Konstruktion eines architektonischen Gebäudes als Ausgangspunkt" genommen haben. Es sei.

Langweilig wird es in den Deichtorhallen jedenfalls nie. Und mehr und mehr wächst in uns die Selbstverständlichkeit, dass die Elbphilharmonie selbst tatsächlich Kunst ist und in den gezeigten Werken eine Art traumhafte Wiedergeburt feiert. Das passt glänzend zum Selbstverständnis der Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die sich ohnehin eher der Kunst verbunden fühlen. Also haben sie ein verglastes Regal mit allerlei Entwürfen aus Schaumstoff und Pappe sowie diversen Materialproben zur sogenannten weißen Haut in den Deichtorhallen aufgestellt. Archiv würden manche dazu sagen, bei ihnen aber heißt es Kabinett. Und wer das Sammelsurium näher zu betrachten beginnt, kommt so schnell nicht weg von all den kuriosen Details, den vielen tausend Minivorstufen zum Großwerk. Und von der Ferne erinnert das Regal prompt an alte Beuys-Installationen.

Beigesteuert haben die Meisterbauer aus Basel zudem ein Foto des Düsseldorfers Thomas Ruff. Das ist gleich am Eingang zu sehen. Großformatig und so großflächig gepixelt, dass es aus ein paar Metern Abstand wie ein Gemälde erscheint.

Das Herz das Schau aber sind Candida Höfers Arbeiten. Diverse großformatige Außenaufnahmen und dann das überwältigende, fast organisch wirkende Foto vom Innenraum. Die Ausstellungsmacher kamen nicht daran vorbei, dieses Motiv auch auf die Werbeplakate zu platzieren. Stürmisches Wetter habe an den Tagen der Außenaufnahmen geherrscht, erinnert sich Candida Höfer. "Für drinnen war dieses Wetter für das Licht sehr gut. Auf dem Dach aber brauchte ich viel Hilfe mit Schirmen und beim Festhalten der Kamera." Natürliche Widerstände, die erst das Bauwerk und hernach die Kunst zu überwinden hatten. Ihre Fotos - auch das von der gebogenen Rolltreppe, die im kühlen Nichts zu enden scheint - bewundert man. Doch staunen machen die Höfer-Fotos von den Architektur-Modellen, auf einfachen Holztischen in kargen Räumen inszeniert. Fast wie die Stillleben des Goldenen Zeitalters. Ein Bauwerk, ermöglicht erst durch höchste Ingenieurskunst, wird wieder zurückgeführt in den Ursprung seines Ausgangs. Und in der Kunst Candida Höfers wird diese Verwandlung anrührend glaubhaft.

Erst mit der kleinen eifrigen Spinne da hinten im dunklen Raum, den tosenden Hafengeräuschen in billiger Kulisse, dem bedenklichen Kunstturm aus altem Holz, der peniblen Sammlung von Modellen hinter Glas und all den künstlerischen Versuchen ist die Elbphilharmonie ein Bauwerk der Ewigkeit geworden.

(los)
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