"Un/Sichtbar -Frauen überleben Säure" Ausstellung porträtiert Opfer von Säure-Attacken

München · Jede dritte Frau auf der Welt wird in ihrem Leben einmal geschlagen, vergewaltigt oder auf andere Weise misshandelt. So lautet die traurige Bilanz von UNIFEM, United Nations Development Fund for Women. Fotografin Ann‐Christine Woehrl porträtiert sechs Opfer von Säure-Anschlägen in einzigartigen Bildern.

Un/Sichtbar - Frauen überleben Säure
10 Bilder

Un/Sichtbar - Frauen überleben Säure

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Häusliche Gewalt stellt noch immer die Hauptursache für Gesundheitsschädigungen oder den Tod von Mädchen und Frauen zwischen 16 und 44 Jahren dar und rangiert damit vor Krebs oder Verkehrsunfällen. Dabei variieren die Statistiken über die Gewalt in Ehe und Partnerschaft von Land zu Land. Erschreckend hoch ist in diesem Zusammenhang die kulturell und religiös begründete Gewalt gegen Frauen in Form von Säure‐ und Brandanschlägen.

Opfer einer solchen Attacke ist auch Flavia (25) aus Uganda. Sie wurde 2009 mit zwei Litern Säure übergossen, als sie am Abend von der Uni nach Hause kam. "Ich wusste nicht, was es war. Es hat angefangen zu stechen und wehzutun. Ich bin herumgelaufen und habe meine Kleider ausgezogen", sagt sie. Sie habe sich dazu gezwungen, Hilfe zu suchen und sei zu einem Laden gelaufen."Der kleine Sohn der Besitzerin stand nur entsetzt da. Menschen drängten sich um mich. Dann entdeckte mich eine Freundin meiner Familie und brachte mich ins Krankenhaus", sagt Flavia. Bis heute weiß sie nicht, wer hinter dem Anschlag steckt. Weil sie kurz vorher mit ihrem Freund Schluss gemacht hat, verdächtigt sie ihn. Beweise hat sie keine. Nur langsam lernte sie, mit ihrem entstellten Körper umzugehen: "Ich habe nur geweint, mein altes Aussehen vermisst. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich für den Rest meines Lebens so aussehen würde. Es half mir sehr, dass meine Familie und Freunde so sehr für mich da waren."

Heute hat die 25-Jährige wieder ein selbstbewusstes Auftreten. Sie unterrichtet Kommunikation an einer Modeschule und liebt es, Salsa zu tanzen. "Ich habe keine Schmerzen mehr, nur noch Narben. Ich vergesse sogar, dass ich anders aussehe. Ich bin wieder die Flavia, die ich war — oder sogar eine bessere. Ich bin glücklich."

Ausstellung porträtiert Schicksale

Flavia ist eine von den Frauen, die den Mut hatten, sich vor der Kamera der Fotografin Ann-Christine Woehrl zu zeigen. Ihre Ausstellung "Un/Sichtbar -Frauen überleben Säure" ist das Ergebnis eines Langzeitprojekts. Woehrl hat zahlreiche Opfer solcher Anschläge besucht, in behutsamen Gesprächen nach ihrem Schicksal befragt und sensibel porträtiert hat. Am Beispiel von sechs Frauen aus Bangladesch, Indien, Kambodscha, Nepal, Pakistan und Uganda werden Formen kulturell und religiös geprägter Gewalt aufgezeigt, die sich nicht nur in sichtbaren und unsichtbaren Verletzungen manifestieren. Die eindringlichen Porträts der Mädchen und Frauen lassen den Mut einer jeden einzelnen erkennen, sich ihrem Schicksal zu stellen und Maßnahmen zu ergreifen, um wieder selbstbestimmt leben zu können. Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Januar im Staatlichen Museum für Völkerkunde in München zu sehen.

Säure-Anschläge auch in NRW

Dass es Fälle wie diese auch in Deutschland gibt, zeigt der Fall der 21-jährigen Reyhan C. aus Hilden. Unter dem Vorwand, er habe ein Geschenk für sie, lockte der Täter kurz vor Silvester 2012 die ihm völlig fremde Frau im Auftrag von deren Ex-Freund ins Treppenhaus ihrer Hildener Wohnung — und übergoss sie mit Säure. Das ätzende Konzentrat hatten die Männer bei einer Apotheke in Leverkusen für nicht mal fünf Euro gekauft. Für den Anschlag hat das Landgericht Düsseldorf zwei Männer aus Langenfeld im Juli 2013 zu Haftstrafen verurteilt.

(apd)
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