Abriss geplant Bonn opfert die Beethovenhalle

Bonn (RP). Post, Postbank und Telekom wollen der Stadt Bonn ein Festspielhaus für hochrangige Konzerte schenken. Dieser Plan sieht vor, dass die alte Beethovenhalle abgerissen wird. Kritiker bezweifeln, dass es in Bonn ein Publikum für viele Konzerte gibt.

Das neue Gebäude wäre ein Geschenk, das den Beschenkten in eine Zwickmühle bringt. Die Annahme ist mit dem Abriss eines anderen Gebäudes verbunden, das soeben runden Geburtstag feiert. Die Unternehmen Post, Postbank und Telekom wollen Bonn, wo sie residieren, ein neues Festspielhaus schenken, das in der Luxusliga spielen, aber auch dem Bonner städtischen Orchester Heimat bieten soll.

Die Zwickmühle: Dem neuen Tempel soll die 1959 eingeweihte Beethovenhalle weichen; deren Umbau lehnen die Stifter ab. Ihnen passt das asymmetrische, unter denkmalpflegerischen Aspekten respektable Gebäude nicht in den Plan. Sie sind auf Repräsentanz aus, auf Modernität und Glanz. Dabei verweisen sie darauf, dass die Akustik der Beethovenhalle recht mäßig sei.

Der für Akustik nicht zuständige Landeskonservator Udo Mainzer lässt verlauten: "Die Akustik ist nicht optimal, das hat aber mit der Intention des Architekten zu tun. Die Beethovenhalle wurde eben nicht als Konzertsaal gebaut, sondern als Mehrzweckhalle." Sicher ist, dass 90 Prozent der Besucher der Beethovenhalle akustische Unterschiede zwischen altem und neuem Saal nicht bemerken würden. Es ist sogar möglich, dass der neue Saal schlechter klingt. Der abwertende Verweis darauf, dass die Saalreihen nicht ansteigend seien, ist ein beunruhigender Ausdruck der Tatsache, dass manche Leute nur gut hören, wenn sie auch gut sehen. Notabene, der Wiener Musikvereinssaal steigt nicht an, und von hinten sieht man schlecht. Hat je einer den Abriss des berühmtesten Konzertsaales der Welt gefordert?

Der Denkmalschutz ist mitunter so beherzigens- wie beklagenswert. Da er die Schutzwürdigkeit von Bauwerken mitunter rigoros handhabt, scheint für künftige Generationen wenig Raum für eigene kreative Aussagen. Motto: Alles schon verbaut und geschützt! Einigermaßen weltfremd mutet auch der Einwand an, die Sponsoren sollten ihr Festspielhaus woanders bauen und die Beethovenhalle stehen lassen. Nun, Bonn ist finanziell nicht so gesegnet, dass es sich den Unterhalt zweier Häuser leisten kann.

Man kann gewiss das Ansinnen der Mediengiganten frivol nennen: Sprengt den alten Saal, wir klotzen euch einen neuen hin! Er böte Bonn allerdings eine einzigartige Chance, denn ihre 50 Jahre sieht man der Beethovenhalle an; ihr Blauton wirkt ältlich, das Ambiente ist eher schmuddelig, und der Eingang sieht aus wie das Kassenhäuschen eines älteren Fußballstadions. Zudem trüge so ein Bau den Sponsoren auch Verpflichtungen ein; die Postler werden gewiss helfen, namhafteste Künstler via Sponsoring zu buchen. Die Frage ist damit beantwortet, wieso es ein Festspielhaus sein soll, wenn das Beethovenfest sowieso nur im Sommer und dann auch nur für ein paar Wochen stattfindet. Die Antwort: Man spekuliert insgeheim auf ein zweites Baden-Baden, das nun allerdings am Rhein steht. Im Hintergrund weht virtuell zudem die Flagge der Vergangenheit mit dem Banner einer Ära: der "Bonner Republik".

Festspiele in NRW? Haben wir die nicht längst? Nun, die ganz großen Namen sind seit vielen Jahren regelmäßig und ganzjährig ein paar Kilometer flussabwärts zu hören — in Köln und Düsseldorf. Ist Bonns Einzugsbereich an Musikfreunden so groß, dass für ein erhabenes künftiges Angebot auch eine Nachfrage garantiert werden kann?

Experten wissen gleichwohl, dass neue Säle neues Publikum generieren. Der Erfolg der Kölner Philharmonie resultierte aus dem gigantischen Modernitätsschub, den sie nach Zeiten des liebenswerten gräulichen Gürzenichs mit sich brachte, für den am Ende kaum noch Abonnements verkauft werden konnten. Ein neuer Saal in Bonn erschlösse gewiss neue Hörerkreise aus den südlicheren Regionen bis nach Koblenz. Und er ist eine Gefahr für Köln.

(RP)
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