Kultur-Alarm Die Deutschen lesen immer weniger

Düsseldorf/Mainz (RP). Wer die Zukunft unserer Zivilisation gern etwas schwärzer sieht, der findet in der neuen großen Studie der Stiftung Lesen und des Bildungsministeriums diese Zahl: Jeder vierte Deutsche sagt, dass er "nie ein Buch zur Hand" nimmt. Vor 16 Jahren waren es nur 20 Prozent der Befragten, die sich zum Nicht-Lesertum bekannten.

Ein Schwede entdeckt Düsseldorf: Die Bücherwelt
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Der Abzählvers für Lesemuffel — ene, mene, muh — wird also immer kürzer, mit weitreichenden Folgen. Denn das sprichwörtliche "Raus bist du" kann zur unliebsamen Wahrheit werden, weil Lesen und die damit verbundene Sprachfähigkeit eine Kernkompetenz und ein Schlüssel zum Erfolg sind.

Zum Nichtleser wird man erzogen. Auch darüber gibt die dritte große Lesestudie in Deutschland nach 1992 und 2000 hinreichend Auskunft. Mittlerweile kann nur noch jeder Zweite der heute 14- bis 19-Jährigen sagen, als Kind oft mit Büchern beschenkt worden zu sein. Das waren vor acht Jahren noch 59 und vor 16 Jahren 72 Prozent. Die Pflege des Lesenachwuchses liegt hierzulande also im Argen. Selbst im Kindergarten wird laut Studie offenkundig weit weniger vorgelesen als früher.

Und das ist das eigentlich Erschreckende der gestern veröffentlichten Studie, für die 2500 Deutsche in 47 Interviews befragt wurden. Dass nämlich der Rückgang unserer Lesekultur mehr als ein unerfreulicher Trend ist. Wir haben es vielmehr mit einer Entwicklung zu tun, die sich zwangsläufig fortsetzen wird angesichts der Lesesozialisation junger Menschen.

Welches Buch hilft gegen Lese-Blockaden?

Die Deutschen lesen immer weniger. Jeder Vierte liestüberhaupt keine Bücher mehr. Wollen Sie das zulassen? Leisten Sie Erste Hilfe. Empfehlen Sie den deutschen Lesemuffeln ein Buch, das Lust macht auf mehr. >>>Hier können Sie Ihren Beitrag leisten. Bitte kurz begründen.

Peu à peu verschwindet das Buch aus dem Alltag vieler Deutscher. 44 Prozent lesen nur bis zu fünf Bücher im Jahr, während die Zahl der Vielleser unverändert bei drei Prozent liegt. Dementsprechend sieht es daheim aus. 57 Prozent der Menschen haben nicht mehr als 50 Bücher im Haushalt (2000: 51 Prozent); nur sechs Prozent zählen über 250 Bücher (2000: neun Prozent) in ihren Regalen.

Wer die deutsche Bildungsgesellschaft des Jahres 2008 beschreiben möchte, könnte das laut Studie mit folgenden sechs Lesetypen tun: dem Medienabstinenten, für den Bücher Ballast sind; dem Leseabstinenten, für den Leküre anstrengend ist; den Lesefreund, der Bücher liebt, dem Informationsjunkie, der aus Büchern Nutzen ziehen möchte; dem Vielmediennutzern und dem Online-Nutzer.

Diffuse Entwicklung

Vor allem Letztere sind eine noch junge Gattung, die zunehmend wichtiger wird. Inzwischen ist es 44 Prozent der jungen Erwachsenen egal, ob ein Text gedruckt oder digital ist. Und 41 Prozent lesen jetzt schon ganze Texte ausschließlich auf dem Bildschirm. Das behaupteten vor acht Jahren nur 25 Prozent.

Doch diese Entwicklung ist noch etwas diffus und der Glaube ans digitale Medium keineswegs ungebrochen. Denn die Mehrheit der deutschen Leser (52 Prozent) hegt weiterhin ein größeres Vertrauen in Printprodukte. Das ist speziell bei älteren Befragten der Fall. Außerdem gaben 22 Prozent an, sich beim Lesen am Bildschirm leicht zu verzetteln und die Orientierung zu verlieren.

Vorboten eines Umbruchs

Auch das sind Vorboten eines Umbruchs in der Lesekultur. Indirekt ist die Studie eine Aufforderung, mehr als bisher in die Lesesozialisation zu investieren und besonders frühe Leseförderung in Familie und Kindergarten zu betreiben.

Als kleiner Trost dieser Studie bleibt, dass es bei vielen wenigstens noch eine Erinnerung an die Buchkultur und ihren Wert gibt. 36 Prozent aller Befragten finden Fachbücher sehr wichtig und 31 Prozent sogar Romane und Gedichte. Dass aber nur 17 Prozent davon tatsächlich Gebrauch machen, ist ein fast schon ulkiger Widerspruch — zwischen Schein und Sein, hinter dem natürlich auch das schlechte Gewissen hervorscheint.

Das allein langt freilich noch nicht, der Bildungsmisere zu begegnen.

(RP)
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