Leverkusen Die Mischwesen der Brüder Tobias im Museum

Leverkusen · Das Leverkusener Museum Morsbroich gibt Einblick in die geheimnisvolle, künstliche Motivwelt des Kölner Zwillingspaars. Die beiden haben ihre Kunst bereits im New Yorker Museum of Modern Art vorgestellt.

Die Zwillinge Gert & Uwe Tobias handeln gern anders, als man es von ihnen erwartet. Das beginnt damit, dass sie ihre Vornamen mit dem altertümlichen Et-Zeichen verbinden, und endet noch lange nicht damit, dass sie alle Vermutungen zu ihrer Kunst verneinen. Die Mischwesen, welche die Bilder der beiden 1973 geborenen, heute in Köln lebenden Künstler bevölkern, entstammen doch sicherlich der Sagenwelt ihrer Heimat Siebenbürgen? Nein. Aber sie haben doch einen Bezug zu Max Ernst? Nein, Max Ernsts Bilder zählen allenfalls zum riesigen Reservoir, aus dem sie schöpfen. Und den Mittelpunkt der Ausstellung bilden doch ausnahmslos monumentale Farbholzschnitte, wie die beiden sie bereits im Museum of Modern Art in New York und in der Londoner Whitechapel Gallery vorführten? Nein. Die Leverkusener Schau beginnt mit Zeichnungen und Keramik, erst später treten Holzschnitte hinzu - und zwar neue.

Gert & Uwe Tobias erzählen viel und amüsant, sie fallen einander ins Wort und ergänzen sich. Sie legen an jedes Bild gemeinsam Hand an, schöpfen aus Büchern und Modezeitschriften die Motive ihrer surrealen Collagen - und bleiben stumm, wenn es um die Frage geht, worauf ihre Kunst zielt. "Es gibt in unserer Kunst keine Geschichte", konstatiert der eine im stillen Einverständnis mit dem anderen und lässt das Geheimnis ihrer Erfindungen ein Geheimnis bleiben. "Deutung", so bescheidet er eine Journalistin, "ist Ihr Job."

Ob mit Pastellkreide und Buntstift auf Papier oder als Holzschnitt auf Leinwand - häufig geben die bis zu zwei mal drei Meter messenden Bilder angedeutete Räume wieder, in denen surreale Wunder geschehen. Vogelartige Wesen schweben durch die Dunkelheit, Tiere verwachsen mit Dingen, riesige Schnecken kriechen durch die künstliche Welt, eine fliegende Hand, ein Arm weisen aus dem Bild hinaus.

In den Holzschnitten kontrastiert oft ein großes schwarzes Möbelstück mit stark farbigen Gliedmaßen, die sich kaum jemals zu einem vollständigen Organismus fügen. Im ersten Raum vereinen sich fahrig aufs Papier geworfene, von Auflösung bedrohte Gestalten aus Schlangenlinien mit Keramikgefäßen, die gleichfalls in die Formlosigkeit abdriften. Ihr Unterbau ist noch fest, die Oberteile dagegen wirken roh, als hätten die Künstler die Lust am Gestalten verloren.

Die sich über drei Stockwerke erstreckende Ausstellung ist ein Gesamtkunstwerk. Wer es erforscht, wird in immer wieder neuen Zusammenhängen immer wieder auf gleiche Motive treffen. Zusammen ergeben sie eine Welt zwischen Mensch und Tier, Leben und Tod, Schönheit und Bedrohung.

Gert & Uwe Tobias sind als Zwölfjährige mit ihren Eltern nach Deutschland ausgesiedelt, studierten in Braunschweig beim "Jungen Wilden" Walter Dahn und beschreiten seither eigenständig ihren Weg - wild und zugleich tänzelnd, der Wirklichkeit enthoben.

Einer parallele Ausstellung des Museums mit Holzschnitten aus Eigenbesitz veranschaulicht, dass sich die Brüder in guter Gesellschaft befinden. Auch Georg Baselitz, Per Kirkeby, Heribert C. Ottersbach und Günther Uecker haben im Lieblingsmedium der beiden Tobias eindrucksvolle Spuren hinterlassen. Und siehe da: Das Zwillingspaar ist ebenfalls schon museal.

(RP)
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