100 Jahre Fund der Nofretete-Büste Die zeitlose Schönheit der Nofretete

Berlin · Vor 100 Jahren entdeckten deutsche Ausgräber die Büste der Nofretete – Berlin beleuchtet den Fund und den Mythos in einer Ausstellung im Neuen Museum von Berlin.

Die Büste der Nofretete wird im Neuen Museum in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Büste der Nofretete wird im Neuen Museum in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert.

Foto: dpa, Michael Sohn

Vor 100 Jahren entdeckten deutsche Ausgräber die Büste der Nofretete — Berlin beleuchtet den Fund und den Mythos in einer Ausstellung im Neuen Museum von Berlin.

"Dann wurde die bunte Büste herausgehoben, und wir hatten das lebensvollste Kunstwerk in Händen. Es war fast vollständig, nur die Ohren waren abgestoßen, und im linken Auge fehlte die Einlage." Das schrieb der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt am Abend des 6. Dezember 1912 in sein Tagebuch. Und der Ausgräber, der im Auftrag des Deutschen Kaisers eine Sammlung mit hochrangigen archäologischen Schätzen anlegen sollte und vom Mäzen James Simon mit finanziellen Mitteln ausgestattet war, ergänzte: "Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen."

Mit faszinierten Augen angesehen haben sich die Büste der Nofretete, die 3300 Jahre im Wüstensand verbuddelt war und die Borchardt vor 100 Jahren in den Ruinen des ägyptischen Amarna fand, unzählige Menschen. Die Frau mit dem schlanken Hals, der grazilen Anmutung und erotischen Ausstrahlung ist für viele Betrachter die Verkörperung ewiger Schönheit, das Urbild zeitloser Erotik. Ihre verführerischen Mandelaugen und ihr lieblicher Schwanenhals haben schon Thomas Mann entzückt. Und Dichterfürst Rilke fand die ebenmäßigen Züge der Nofretete einfach nur "bezaubernd".

Wer war Nofretete?

Wer die wunderschöne Dame wirklich war und welche Rolle sie im Machtgefüge der ägyptischen Dynastien spielte, ist bis heute nicht restlos geklärt. Auch die Ausstellung, die jetzt unter dem Titel "Im Licht von Amarna — 100 Jahre Fund der Nofretete" im Berliner Neuen Museum seine Pforten öffnete und auf 820 Quadratmetern über 1300 Exponate zeigt, lässt viele Fragen offen. Dort kann man zwar mit Hilfe von internationalen Leihgaben aus New York, Paris und London, von restaurierten Keramiken und Kunstwerken, von Schmuck und Fayencen sowie anhand von Bild- und Ton-Installationen einen Einblick gewinnen, wie das Alltagsleben und die religiösen Riten zur Zeit von Nofretete und ihrem Gatten, dem Pharao Echnaton, ausgesehen haben.

Man bekommt Informationen, wie die Grabungs- und Fund-Geschichte vonstattenging und eine Vermarktung des zeitlosen Schönheitsideals einsetzte, die bis heute anhält. Doch ob Nofretete nur eine Ehefrau war, die ihrem Mann zwar viele Töchter, aber keinen männlichen Stammhalter gebar (so dass Echnaton mit seiner Schwester einen Sohn zeugte, den späteren Pharao Tutanchamun). Oder ob sie eine streitbare und selbstbewusste Kriegerin war, die nach dem Tod ihres Gatten selbst den Thron bestieg: das kann auch die sich über zwei Etagen schlängelnde und in unzähligen Vitrinen und Schaubildern erschöpfende Schau nicht klären.

Für den angesehenen Ägyptologen Hermann A. Schlegel ist der Fall klar: In seinem Buch "Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin" sieht er sie gleichrangig an der Seite ihres Gatten und als Mitbegründerin der ersten monotheistischen Religion. Denn Pharao Echnaton erhob den Sonnengott Aton zur einzigen Gottheit, ließ die alten Tempel schließen und baute sich eine neue, prachtvolle Hauptstadt, Achet-Aton, das heutige Tell el-Amarna, wo die Nofretete-Büste ausgegraben wurde.

In der neuen Residenz zelebrierten Nofretete und Echnaton den Aton-Kult, sie feierten Feste und genossen, leichtbekleidet und lebenslustig, eine kurze Zeit des Friedens. Die Reaktion konservativer Kreise ließ nicht lange auf sich warten: Nach dem Tod der beiden monotheistischen Revolutionäre wurden die alten Götter wieder hervorgekramt, alle Statuen, Bildnisse und Büsten des Aton-Kults zerstört, die Residenz verlassen und der Wüste übergeben. Dass man auf dem Gehöft des Hofbildhauers Thutmosis neben Scherben die fast gänzlich erhaltene Nofretete-Büste bergen konnte, grenzt an ein Wunder.

Jährlich eine Million Besucher

Jedes Jahr pilgern mindestens eine Million in das auf der Berliner Museumsinsel gelegene Neue Museum, wo eines der berühmtesten Kunstwerke der Antike, gut geschützt hinter Panzerglas und versichert mit 390 Millionen Dollar, seine vielleicht letzte Heimstatt gefunden hat. Das hofft jedenfalls Helmut Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Chef der Staatlichen Museen zu Berlin. Für ihn sind alle Versuche der Ägypter, die schöne Königin wieder ins Land ihrer Vorfahren heimzuholen, zum Scheitern verurteilt.

Den Vorwurf, beim Kauf der Kostbarkeit sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, die stolz lächelnde Nofretete sei bei der Aufteilung der in Amarna gefundenen Schätze bewusst verunziert, mit Lehm beschmiert und illegal außer Landes geschmuggelt worden, sieht Parzinger längst durch historische Dokumente entkräftet. Wenn Bruno Güterbock, der Schriftführer der Deutschen Orient-Gesellschaft, in einer Notiz festhält, Borchardt habe damals "Schummelei" und "Vermogelung" betrieben, hält Parzinger das für eine Lüge und Ausdruck eines gestörten Verhältnisses zwischen zwei Archäologen. Sein Fazit: "Nofretete ist Teil des kulturellen Erbes der Menschheit. Eine Rückgabe einfach so aus Großmut halte ich ganz grundsätzlich nicht für vertretbar."

Ob bei der Fundteilung getrickst wurde und die Rückgabe des Schatzes überfällig ist, kann der entführten Königin und ewigen Schönheit gleichgültig sein. Wie immer lächelt sie im Nordkuppelsaal des Neuen Museums den Besucher geheimnisvoll an, sie weiß um ihre zeitlose Einzigartigkeit und betörende Ausstrahlung.

(RP/felt/das)
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