Das Newseum in Washington Ein Museum für Neuigkeiten

Washington (RP). In Washington wurde das "Newseum" eröffnet. Es zeigt die Entwicklung vom Buchdruck zum Internet – auf typisch amerikanische Weise: mit großem Getöse und viel Heldenverehrung.

 Dieses Teil der Berliner Mauer steht im Newseum

Dieses Teil der Berliner Mauer steht im Newseum

Foto: AFP, AFP

Washington (RP). In Washington wurde das "Newseum" eröffnet. Es zeigt die Entwicklung vom Buchdruck zum Internet — auf typisch amerikanische Weise: mit großem Getöse und viel Heldenverehrung.

"Einer deiner Sportreporter will über Basketball schreiben. Sein Bruder spielt in der besten Mannschaft der Stadt. Darf er berichten?" Die Frage geht nicht an Radio Jerewan, sondern an den Chefredakteur. "Im Prinzip ja, aber …" wäre von vornherein die falsche Antwort. Zur Auswahl stehen nur Ja oder Nein. Richtig ist, die Bitte des Reporters abzulehnen, denn sonst droht ein Interessenkonflikt.

Klick für Klick kämpft sich die Mädchen-Schulklasse, die sich um die grell leuchtende Tischplatte drängt, durch den journalistischen Ethiktest. Vielleicht liegt es an dieser Prüfung der Instinkte, dass sich das Newseum als "interaktivstes" Museum der Welt feiert — übrigens ein typisch amerikanischer Superlativ. Vielleicht liegt es auch an der Kamera-Ecke, in der Mutige ausprobieren können, ob sie sich eignen, die 19-Uhr-Nachrichten zu sprechen oder so cool wie Christiane Amanpour die neueste Nahostkrise zu schildern. Jedenfalls ist das Museum alles andere als kleinlaut, wenn es gilt, die Werbetrommel zu rühren. Allein die Lage! Der lichtdurchflutete Glaskasten liegt zwischen Kapitol und Weißem Haus, bewusst so platziert, dass er den Anspruch der "vierten Gewalt" betont, ein wichtiger Eckpfeiler der Demokratie zu sein.

Ein bisschen paradox

An seiner Fassade prangt haushoch der erste Verfassungszusatz: Kein Gesetz dürfe die Freiheit der Rede oder der Presse einschränken. Vor acht Jahren erwarb die Stiftung Freedom Forum das Grundstück an der Pennsylvania Avenue für 100 Millionen Dollar von der Stadtverwaltung. Treibende Kraft war Al Neuharth, der 1982 das Blatt USA Today gegründet hatte. Den Bau bezahlt haben Medienhäuser, von der New York Times über Bloomberg und Rupert Murdochs News Corporation bis hin zu Time Warner.

Ein bisschen paradox ist das schon. In den USA vergeht kaum ein Tag, an dem Kassandrarufer der gedruckten Zeitung nicht das baldige Ende prophezeien. Dann steht man ganz oben im siebten Stockwerk, und alles ist Zeitung. Hinter Glas, in endloser Reihe, schreien die spektakulärsten Schlagzeilen der Pressegeschichte, zumindest die amerikanischen, denn der Rest der Welt wird weitgehend ausgeblendet. "Kennedy erschossen", "Mann auf dem Mond", "Dewey schlägt Truman". Letztere gehört zu den peinlichen Ausrutschern von Journalisten, die zu früh zu viel vermelden wollen, statt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu bilanzieren. Kaum war die "Chicago Daily Tribune" mit der Zeile erschienen, wendete sich beim Auszählen das Blatt der Präsidentenwahl 1948. Harry Truman schlug Thomas Dewey und ließ sich feixend fotografieren, mit der voreiligen Tribune als Trophäe in den Händen.

Die blamablen Momente der vierten Gewalt, ihre Gelächter auslösenden Fehler, sie werden zwar registriert, aber nur am Rande. Etwa auf den Toiletten, wo eng beschriebene Kacheln an verkorkste Überschriften erinnern ("Erste weibliche Marines trainieren für Kampf mit Männern"). Aber der selbstkritische, ja selbstironische Blick ist nicht die Stärke des Newseums.

Lieber feiert es Helden. "Ich suche keine Distanz zu der Sichtweise, dass die Akteure einer freien Presse etwas Heroisches an sich haben", sagt Charles Overby, der Direktor des Freedom Forum. Die Fotografen des Magazins "Time" spendierten den Pick-up, in dem sie durchs kriegsverwüstete Bosnien fuhren. Das weiße Blech ist über und über mit Einschlägen bedeckt, die Frontscheibe zerborsten. Der Chevrolet trug den Kosenamen "Metallmagnet", weil er Kugeln anzuziehen schien, aber alles überlebte. 1843 Namen und Porträts erinnern an getötete Journalisten. Ein beeindruckendes Memorial, das leider ständig ergänzt muss. Als Ersten verzeichnet es Elijah Parish Lovejoy, einen Gegner der Sklaverei. Er wurde 1837 von einem Mob erschossen, als er versuchte, die Druckerpressen seiner Zeitung zu schützen. Die letzten Namen sind zumeist arabische: die einheimischen Reporter, die ab 2003 im Irak ermordet wurden.

Im Keller erinnert sich Tom Brokaw, Amerikas bekanntester Fernsehmann, an die Pressekonferenz des Novembers 1989, auf der Günter Schabowski umständlich die Grenzöffnung verkündete — "und ich mich fragte: Hat er wirklich gesagt, was ich glaube, gehört zu haben?" Vor einem Wachturm stehen acht Segmente der Berliner Mauer, im Osten betongrau, im Westen bemalt. "Act up!" "Change!"

Ein paar Stockwerke höher die verbogene Antenne, die vom Nordturm des World Trade Center in die Tiefe fiel, als der Wolkenkratzer einstürzte.

Hinter dem Stahlknäuel erinnert eine Wand großformatiger Titelseiten daran, wie einig sich die Welt damals in ihrer Abscheu war.

(RP)
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