Gemäldefund in München Expertin: Bislang unbekannte Bilder gefunden

München · Unter den in einer Münchner Wohnung gefundenen Bildern befinden sich auch bislang unbekannte Meisterwerke. Dazu gehören Werke von Otto Dix, Marc Chagall und Henri Matisse, sagte die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann am Dienstag in Augsburg.

Gegen den Besitzer der Wohnung, den Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und der Unterschlagung.

Am Wochenende hatte der "Focus" den sensationellen Fund der Bilder aufgedeckt. Ein Großteil davon scheint Nazi-Raubkunst zu sein, darunter Werke des Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus oder Kubismus - Kunstströmungen, die von Adolf Hitler als "entartet" stigmatisiert worden waren. Die Nationalsozialisten hatten aus Museen und von Privatbesitzern etwa 20.000 Bilder beschlagnahmt, deren Verbleib ist bis heute in vielen Fällen unklar.

Die von der Justiz mit der Begutachtung der Werke beauftragte Hoffmann sagte, der Fund habe "einen unglaublich großen wissenschaftlichen Wert". Nach ihrer ersten Einschätzung sind diese in einem guten Zustand und echt. Es gebe "überhaupt keine Anhaltspunkte", dass es sich um Fälschungen handle.

Hoffmann hob besonders ein Selbstporträt des zu den bedeutendsten deutschen Malern des 20. Jahrhunderts zählenden Otto Dix hervor, das in keinem Katalog erfasst und bislang unbekannt sei. Auch ein bisher unbekanntes Werk von Marc Chagall sei gefunden worden. Hoffmann sagte, das Bild sei von einem "ganz besonders hohen kunsthistorischen Wert". Die Expertin zeigte auch das Foto eines Gemäldes des zu den bedeutendsten Vertretern der klassischen Moderne zählenden Henri Matisse, das bislang nirgends erwähnt sei.

Wie der leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz sagte, fanden die Ermittler in der Wohnung in Schwabing 121 gerahmte und 1285 ungerahmte Werke, also insgesamt 1401 Bilder und nicht wie ursprünglich vom "Focus" berichtet 1500 Bilder. Die Werke - Ölgemälde, Lithographien, Zeichnungen und Aquarelle - stammten von großen Künstlern wie Max Liebermann, Max Beckmann, Pablo Picasso, Albrecht Dürer, Pierre-Auguste Renoir oder Henri de Toulouse-Lautrec. Es handelte sich nicht nur um Nazi-Raubkunst, sondern um bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Bilder.

Die Ermittler korrigierten die "Focus"-Angaben, wonach die Durchsuchung im Frühjahr 2011 stattfand. Tatsächlich habe sie am 28. Februar 2012 begonnen. Gurlitt verfügt nach Erkenntnissen des Zolls über kein weiteres Bilder-Lager. Er ist der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der im Dritten Reich Werke entarteter Kunst offiziell handeln durfte. Dieser hatte nach Kriegsende offensichtlich falsch angegeben, dass die von ihm verwahrten Bilder zerstört seien.

Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz sagte, "hinsichtlich dieser Werke wird ermittelt, ob sie unterschlagen wurden". Damit steht Gurlitt außer wegen Steuerhinterziehung auch wegen Unterschlagung unter Verdacht. Allerdings sagte Nemetz, es liege kein dringender Tatverdacht vor. Zudem seien die Ermittlungen in jeder Hinsicht aufwändig und komplex. Nemetz wollte auch nicht ausschließen, dass am Ende womöglich Gurlitt alle oder einen Teil der Bilder zurückerhalten könnte. Die Staatsanwaltschaft hat laut Nemetz derzeit keinen Kontakt zu Gurlitt und weiß auch nicht, wo er sich aufhält. Medienberichten zufolge lebt er in Österreich.

(afp)
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