75. Geburtstag Gerhard Richter - Maler der inneren Unsicherheit

Düsseldorf (RP). Der erfolgreichste deutsche Maler der Gegenwart wird heute 75 Jahre alt. Bilder des hochgeehrten Künstlers gehen bei Versteigerungen für Millionengebote weg, Ausstellungen wurden in aller Welt gezeigt. Gerhard Richters Werk reicht von Gemälden, die wie verschwommene Schwarzweiß-Fotos wirken, über einen RAF-Zyklus bis zu Ungegenständlichem.

 Das Geburtstagskind im Februar 2005 in Düsseldorf vor seinem C-Print "Strontium".

Das Geburtstagskind im Februar 2005 in Düsseldorf vor seinem C-Print "Strontium".

Foto: ddp

Früher nannte man ihn oft das Chamäleon der Gegenwartskunst: einen, der scheinbar den Stil wechselte, wenn er einer Phase in seinem Schaffen überdrüssig geworden war. Gerhard Richter selbst, der heute sein 75. Lebensjahr vollendet, wird sich niemals so verstanden haben. Schließlich passt sich das Chamäleon farblich seiner Umgebung an, während Richter der Welt Impulse versetzte, ihr zu denken gab.

 Gerhard Richter im März 2005 vor dem Bild "Beerdigung" aus seinem RAF-Zyklus.

Gerhard Richter im März 2005 vor dem Bild "Beerdigung" aus seinem RAF-Zyklus.

Foto: ddp

Rückwärts betrachtet wirkt Richters Werk ohnehin weitaus weniger wechselhaft, als es zuweilen den Anschein hatte. Er war von vornherein ein durch und durch deutscher Maler; einer, der sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzte und, wie sich erst in jüngerer Zeit herausstellte, selbst in sie verstrickt ist.

Vor gut zwei Jahren wies Jürgen Schreiber in seinem Buch "Ein Maler aus Deutschland" auf einen tragischen Aspekt in Richters Familiengeschichte hin: Im Jahr 1945 ermordeten NS-Ärzte innerhalb des Euthanasie-Programms seine Tante Marianne. Richters späterer Schwiegervater Professor Heinrich Eufinger zählte als SS-Obersturmbannführer und Verantwortlicher für die Zwangssterilisierungen in Dresden zu den Tätern. Richter hat beide mehrfach porträtiert, offenbar ohne dass er die Umstände kannte. Im vorigen Jahr wurde sein Bild "Tante Marianne" bei Sotheby's in London für 3,1 Millionen Euro versteigert.

Aufsehen erregender RAF-Zyklus

Schon Ende der achtziger Jahre hatte Richter durch Kunst mit politischem Hintergrund Aufsehen erregt. In Krefeld stellte er damals seinen RAF-Zyklus "18. Oktober 1977" vor; eine Art Historienmalerei, in der er schemenhaft die Terroristen abbildete, wobei er sich einer Parteinahme für die Täter oder für die Opfer enthielt. Überhaupt ist Richter seit je ein Künstler des Unbestimmten und Unbestimmbaren; einer, der mit seinen über eine lange Phase hinweg "unscharfen" Gemälden sein Misstrauen gegenüber der Aussagekraft von Bildern festhielt, seinen Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen überhaupt. Denn vieles von dem, was wir zu wissen glauben - daran erinnert uns Richter in seinen Werken -, erschließt sich uns nur über technische Hilfsmittel und gedankliche Konstrukte. Was die Welt im Inneren zusammenhält, bleibt dem Augenschein verborgen.

Diese innere Unsicherheit verbindet die frühen, "verwackelten" Schwarzweiß-Bilder mit den Landschaftsbildern der Achtziger oder den "Abstrakten Bildern" aus den Jahren um 2000. Zuletzt setzte Richter eine bereits in den Siebzigern entstandene Farbkästchen-Malerei in ein Fenster für eine Fassade des Kölner Doms um - ein Geschenk an die Kathedrale in seinem heutigen Wohn- und Arbeitsort.

Seit Jahrzehnten gilt Richter als rheinischer Künstler; er stammt jedoch aus Dresden. Dort studierte er an der Akademie "freie Malerei", übernahm sogar künstlerische Staatsaufträge der DDR - und floh 1961 nach Westdeutschland. An der Düsseldorfer Kunstakademie setzte er sein Studium fort. Dort lernte er, wie frei Kunst wirklich sein kann. Er malte nicht nur, er beteiligte sich auch an Aktionen. Im Möbelhaus Berges in der Altstadt lud er mit Sigmar Polke und Konrad Lueg zu einer Demonstration für den "Kapitalistischen Realismus". Möbel thronten dort plötzlich auf Sockeln und wirkten wie Skulpturen. So hatte der Sozialistische Realismus aus Richters Heimat im Westen ein provozierendes Gegenbild bekommen.

Viele Spuren Richters in Düsseldorf haben sich verloren. Berges schloss schon vor Jahren seine Tore, auch das Creamcheese, der damalige Künstlertreff, besteht nicht mehr. Jahrzehntelang aber wirkte Richter als Professor an der Düsseldorfer Akademie auf die nachfolgende Künstlergeneration ein, als Vater der Nach-Moderne.

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