Gehard Richter wird 85 Jahre alt Museum Ludwig präsentiert Richter-Schau

Der berühmteste deutsche Künstler der Gegenwart wird am Donnerstag 85. Das Kölner Museum Ludwig stellt jetzt Richters neueste Werke vor.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Gerhard Richter hat sich ins Zeug gelegt, bevor er am Donnerstag in Venedig mit seiner Familie den 85. Geburtstag feiert und damit nebenbei allem Medienrummel entgeht. Nicht nur, dass er innerhalb eines Jahres 26 ungegenständliche Bilder schuf, die er vor drei Monaten überraschend dem Kölner Museum Ludwig für die ohnehin geplante Geburtstagsschau anbot.

Richter nahm Rita Kersting, der Kuratorin, auch einen großen Teil der Arbeit ab, indem er die Bilder selbst platzierte. Mehr noch: Auch in jenem Teil der Ausstellung "Gerhard Richter: Neue Bilder", der aus älteren seiner Werke aus dem Besitz des Museums besteht, führte er Regie.

Als wäre das noch nicht genug, übergab er dem Museum Ludwig zu seinem Geburtstag ein von Mäzenen finanziertes Geschenk: sechs dunkle, verschwommene Fotografien, aus deren einer er selbst schemenhaft hervortritt. An der einen Stirnwand dieses Raums hängt ein schlichtes Kreuz aus Stahl, an der anderen ein Spiegel: als Nummer 948 der jüngste Eintrag im Werkverzeichnis des Jubilars und eine Erinnerung daran, dass in seinen Ateliers Malerei stets mit Objektkunst einherging.

Die Malerei allerdings bildet den Kern der neuesten Schau, des Auftakts einer Reihe von Richter-Ausstellungen zwischen Bonn und Dresden, Essen und Prag. Mit Rakel und Spachtel, Küchenmesser und Pinsel hat er seine ungegenständliche Malerei zu einer neuen Blüte geführt. Im Vergleich zu den früheren Bildern dieser Richtung stechen die neuen durch leuchtende, zuweilen fast orientalische Farben hervor, durch ein Gewusel, das hier und da Landschaften erahnen lässt und ansonsten die Fantasie der Betrachter anstachelt.

Die übereinanderliegenden, teilweise angekratzten Farbschichten scheinen virtuelle Räume zu bilden. Sie wirken zumindest nicht konstruiert, sondern verspielt und märchenhaft — das Alterswerk eines Malers, der seinen Geburtstag in Heiterkeit begeht und seinem Hauptthema treu geblieben ist: dem Zweifel an der Aussagefähigkeit aller Abbilder, die wir uns von der Welt machen.

In den Seitenkabinetten der "Museumsstraße", deren Wände die neuesten Gemälde tragen, zeigt Richter den Weg auf, der ihn in Jahrzehnten zu den Abstraktionen geführt hat.

Man erblickt die im Stile verwackelter Fotos komponierten Bilder wie "Ema (Akt auf einer Treppe)" von 1966, ein Porträt von Richters damaliger Ehefrau, die zum Zeitpunkt der Aufnahme schwanger war. Der liegende Kopf von Tochter Betty hängt in der Schau gleich nebenan.

Die Ausstellung ist reich an solchen autobiografischen Bezügen, wie nur der Künstler selbst sie herstellen kann. Auch "Onkel Rudi" erzählt von Richters Leben, sein geliebter Onkel schwarzweiß und verwackelt in Wehrmachtsuniform. "Ein charmanter Typ, den ich mehr mochte als meinen Vater", erzählte uns Richter einmal, und: "Das war eine richtige Autorität für mich." Richter lernte von ihm das Autofahren und den Umgang mit Geld - und erfuhr erst später, dass der im Krieg gefallene, geliebte Onkel ein Nazi war.

Zu den richtungweisenden Werken der Ausstellung zählen ebenso "Krieg", eines der frühen, klar gegliederten abstrakten Gemälde, und ein Raum mit schwarz-weißen Fotografien von Größen der Geistesgeschichte, von Kafka über Tschaikowski bis zu Max Planck. Der schwarz-weiße Offsetdruck "40.000" aus winzigen Quadraten in Grautönen weist ebenso wie die sechs Drucke mit quadratischen Farbfeldern auf Richters Kölner Domfenster voraus, das nur wenige Schritte vom Museum entfernt Gläubige und Ungläubige zum Nachdenken über Zufall, Schicksal und Fügung auffordert. Denn die Ordnung wurde von einem Computer erzeugt.

Das neue Richter-Fenster im Kölner Dom
5 Bilder

Das neue Richter-Fenster im Kölner Dom

5 Bilder

Wer solche und andere Werke betrachtet und dabei auf die Beschilderung der Bilder achtet, dem wird auffallen, wie früh der Sammler und Museumspatron Peter Ludwig Richters Werk für sich entdeckte. Er, dessen Name sich für die meisten mit Pop-Art verbindet und mit Kunst aus sozialistischen Ländern, fühlte sich offenbar auch von den vergleichsweise spröden Motiven Richters in Bann gezogen, ebenso wie von Richters einstigem Düsseldorfer Umfeld. Unmerklich gehen die Kabinette der Wechselausstellung über in Räume, in denen Richters Mitstreiter des Kapitalistischen Realismus und seine Wegbegleiter aus der Düsseldorfer Akademie ihre festen Plätze haben, von Joseph Beuys bis zu Palermo.

Es sind jene Künstler, die auch in der Sammlung Dorothee und Konrad Fischer vertreten sind, einer Kollektion, die von der Aufbruchsstimmung der 60er Jahre zeugt und seit vorigem Jahr die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf bereichert.

In diesem Rahmen hat Gerhard Richter sich und seinem Publikum ein schönes, anregendes Geburtstagsgeschenk gemacht — an einem Ort, den er fast täglich passiert, wenn er im Auto von seinem Haus und Atelier in Hahnwald zu seinem zweiten Atelier im Belgischen Viertel fährt. Die Arbeit geht weiter.

(B.M.)
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