Fotomontagen der 30er Jahre Hitler im Ballett-Tutu

Köln (RP). Kurator Bodo von Dewitz hat für die Ausstellung "Marinus - Heartfield. Hitler blind - Stalin lahm" die Geschichte der Foto-Montage aufgearbeitet. In den 1930er Jahren war die Technik in Zeitungen hochaktuell. Doch seit dem Zweiten Weltkrieg ist sie verpönt.

Hitler im Ballett-Tutu
14 Bilder

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Bodo von Dewitz will Geschichte schreiben. Genauer: Die Geschichte der Fotomontage. Denn die, so sagt der Kurator für Fotografische Sammlungen am Ludwig Museum, sei noch nie aufgearbeitet worden. "Das ist fatal, weil wir heutzutage Ausschneiden-und-Einfüge-Verfahren täglich anwenden", sagt von Dewitz. Zumindest ein bedeutender Teil dieser Publizistik-Historie ist seit heute in der Ausstellung "Marinus - Heartfield: Hitler blind - Stalin lahm" in dem Kölner Museum zu sehen. Sie zeigt politische Fotomontage aus den 1930er Jahren.

Auf die Idee, eine Geschichte der fotografischen Montage zu schreiben, brachte von Dewitz das Angebot des dänischen Kurators Gunner Byskov, gemeinsam eine Ausstellung über den Fotomonteur Jacob Kjeldgaard alias Marinus zu organisieren. Seine Erkenntnisse hat von Dewitz in einem Essay des Begleitkatalogs zur Ausstellung zusammengefasst. Demnach beginnt die Kunstform der Fotomontage schon wenige Jahre, nachdem die Erfindung der Fotografie 1839 öffentlich wurde. Der schottische Maler David Octavius Hill verwendete 1843 erstmals Negative aus Papier, um ein Gruppengemälde aus etwa 450 Portraits zusammenzusetzen. Er vollendete dieses Werk 20 Jahre später.

Mit der Weiterentwicklung der Fotografie, die Negative auf Glasplatten hervorbrachte, wurde diese Art der Montage zum Standardwerkzeug der Berufsfotografen. Oftmals setzten sie die Aufnahmen in eine gemalte Umgebung ein - wie etwa zu den Kompositionsbildern "Erinnerung an meine Dienstzeit", die einige Soldaten mit nach Hause nahmen. Schon Anfang der 1860er Jahre kamen Montagen des Franzosen Desidéri als so genannte "carte de visite" auf den Markt.

Um etwa diese Zeit diente die Montage-Fotografie laut von Dewitz bereits politischen Zwecken. Berühmtes Beispiel ist Ernest Eugène Appert, der mit der Serie "Crimes de la Commune" im Carte-de-Visite-Format die Pariser Commune von 1871 verunglimpfte. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Fotomontage endgültig für die politische Propaganda entdeckt. Postkarten zeigten Kriegsidyllen und mutige Helden zur Beruhigung der Heimat. Gegen diese Verfälschung der Wirklichkeit zogen die Berliner Dadaisten und Grafiker zu Felde, zu denen auch John Heartfield gehörte. Sie selbst nutzten nach dem Weltkrieg die Fotomontage für ihre Kritik an der Gesellschaft.

Hier setzt die Ausstellung ein. Sie vergleicht Heartfield mit dem bisher weitgehend unbekannten Dänen Marinus. Gemeinsam mit Gunner Byskov hat von Dewitz Originale und Fakten über den Fotomonteur Marinus gesammelt und sie den Werken von John Heartfield gegenübergestellt. Heartfield veröffentlichte seine Bilder in der "Arbeiter-Illustrierte-Zeitung" (AIZ). Selbst Kommunist, spottete Heartfield über Nazi-Regime und Kapitalismus, den er in Hitler personifiziert sah.

Marinus dagegen, der seine Montagen für die französische linksintellektuelle Wochenzeitung "Marianne" schuf, schlug sich nicht derart eindeutig auf eine politische Seite. In seinen Bildern nimmt er Hitler, Stalin, aber auch französische Politiker aufs Korn - in handwerklicher Meisterschaft. Unverkennbar sind allerdings die motivischen Anleihen, die er bei Heartfield machte. "Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ging es mit der Fotomontage den Bach herunter", sagt Bodo von Dewitz. Zu sehr weckte sie Erinnerungen an nationalsozialistische Propaganda. Gefordert sind bis heute - vor allem in Zeitungen - authentische Bilder. Visuelle Satire verlagert sich seitdem weitgehend in die Karikaturen.

Gunner Byskov hofft aber, dass diese Technik irgendwann wiederkommt. "Das sollte doch möglich sein", findet er. "Die Fotomontage ist so ein wunderbares Werkzeug für Satiriker."

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