Nachttalker schreibt neues Buch Jürgen Domian: "Mein Tod gehört mir"

Köln · Schon als Jugendlicher hat ihn das Sterben beschäftigt. Jetzt hat Nachttalker Jürgen Domian für sein neues Buch ein Interview mit dem leibhaftigen Tod geführt. Dabei hat er die Angst vor dem Sterben verloren und etwas über den Glauben und den Sinn des Lebens erfahren.

 Jürgen Domian stellt sich in seinem neuen Buch dem Thema Tod.

Jürgen Domian stellt sich in seinem neuen Buch dem Thema Tod.

Foto: ddp

So viele Interviewpartner hatte der Moderator Jürgen Domian schon. Der Tod war darunter aber bisher nicht. Ihm stellt sich der 54-jährige Journalist jetzt in seinem neuen Buch.

Den Tod bezeichnen Sie als das große Thema Ihres Lebens. Wie kann man mit einem solchen Bewusstsein noch halbwegs unbefangen leben?

Domian Das Thema Tod hat mich schon umgetrieben, da war ich gerademal elf oder zwölf Jahre alt. Ich habe keine Erklärung dafür, es ist mir ein Rätsel. Aber der Tod ist ja auch das größte Mysterium unserer Existenz und ist eng verknüpft mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Dass ich nun den Tod interviewt habe, hängt mit meinem Beruf zusammen. Ich bin ein Interviewer, der schon mit so vielen Leuten gesprochen hat, aber eben noch nie mit dem Tod. So ist die Idee zum Buch entstanden. Ich möchte im Kleinen dazu beitragen, dass der Tod wieder stärker als Einheit mit dem Leben gesehen wird. In unserer westlichen Glitzer-Kultur wird der Tod verdrängt, tabuisiert und als Störfall behandelt. In Psalm 90 steht: Herr, lehre uns zu erkennen, dass wir sterblich sind, auf dass wir klug werden. Das finde ich weise.

Wie hat sich denn Ihr Verhältnis zum Sterben durch das Interview mit dem leibhaftigen Tod verändert?

Domian Diese intensive Auseinandersetzung hat bei mir bewirkt, dass ich jetzt weniger Angst vor dem Tod habe. Durch das Buch stehe ich jetzt mehr im Leben als vorher. In meiner Sendung merke ich immer wieder, dass viele Menschen mit ihrer Trauer und ihrem Leid allein gelassen werden und isoliert sind. Ich glaube, wir müssen wieder lernen, mit Tod und Sterben angemessen umzugehen.

Sie beschreiben sich als einen fanatischen Gläubigen in jungen Jahren. Begann da Ihre Todesfixierung?

Domian Damals war es für mich meine Rettung, dass ich im Konfirmandenunterricht diesen tollen Pastor kennengelernt habe, diesen charismatischen Mann. Und dass ich durch ihn tief in diesen christlichen Kosmos hineingesogen wurde. Wenn man gläubig ist, wird die Beschäftigung mit dem Tod einfacher: Der Tod hat einen Sinn, das Leben geht danach weiter und letztlich ist man geborgen in der Liebe Gottes. Das war toll. Als dieses Glaubensgebäude dann später für mich zusammenbrach, war das ein Sturz ins bodenlose Nichts. Ich wurde für einige Jahre Atheist. Danach folgte die Zeit der spirituellen Suche, die bis heute anhält.

In Ihrem Interview kommt der Tod als ein echter Philosoph mit Sätzen wie diesen daher: Wer Angst hat, ist gefangen in den Illusionen des Lebens.

Domian Das Schwierigste bei diesem Buch war zu entscheiden, welche Haltung ich dem Tod gebe. Die habe ich dann bei den großen Mystikern aus verschiedenen Kulturkreisen und dem Zen-Buddhismus gefunden. Schon seit Jahren beschäftige ich mich mit diesen Geistesströmungen. Im Grunde war das Gespräch mehr ein innerer Monolog, eine Meditation als Dialog.

Und Sie erzählen vom Tod Ihres Vaters und wie Sie ihn bei seinem letzten Atemzug begleiteten. Wäre Ihr Buch zu seinen Lebzeiten denkbar gewesen?

Domian In dieser Form wohl nicht. Ja, aber es wäre ein anderes Buch geworden. Der Tod meines Vaters war das existenziellste Erlebnis meines Lebens.

Sie befürworten die aktive Sterbehilfe. In Ihrem Buch aber finde ich mit den Schilderungen über den friedlichen Tod Ihres Vaters und Ihren Erlebnissen in der besonderen Palliativ-Einrichtung des Mildred-Scheel-Hauses nur Argumente für ein begleitetes und behütetes Sterben.

Domian Das eine muss das andere nicht ausschließen. Ich bin ein großer Befürworter der Palliativmedizin und der Hospizbewegung hierzulande. Mein Anliegen aber ist das Selbstbestimmungsrecht. Ich möchte einfach das Recht haben, verbindlich für mich das Ende meines Lebens selbst festlegen zu können — natürlich immer nur auf der Basis strenger gesetzlicher Regelungen. Aber selbst Hospize können Orte schweren Leidens und tiefer Verzweiflung sein. Wenn ein Mensch seine Schmerzen einfach nicht mehr ertragen kann und er keinen Lebensmut mehr hat, dann soll er sagen dürfen: Erlöst mich, schenkt mir den Tod. Wir wären in Deutschland schon einen großen Schritt weiter, wenn wir die Legalisierung des assistierten Suizids hätten. Sterbehilfeorganisationen allerdings wie wir sie in der Schweiz antreffen, lehne ich ab. Die Sterbehilfe gehört in den klinischen oder hausärztlichen Rahmen. Ich habe keine Problem damit, dass der Arzt sowohl Geburtshelfer als auch Sterbehelfer ist.

Und Sie haben keine Sorge, dass uns damit ethische Maßstäbe abhanden kommen?

Domian Mich erinnert die Debatte ein bisschen an die früheren Diskussionen über den Paragraphen 218. Damals haben Frauen bewusst überspitzt formuliert: Mein Bauch gehört mir. Jetzt würde ich überspitzt formulieren: Mein Tod gehört mir. Wohl wissend, dass hier zwei Grundwerte aufeinandertreffen: der Lebensschutz und das Selbstbestimmungsrecht. Ich fühle mich in meiner Würde als Mensch nicht ernstgenommen, wenn ich in einer bestimmten Situation nicht sagen kann, ich will nicht mehr, bitte helft mir.

Ist Unsterblichkeit eine Strafe?

Domian In meinen Augen ja. Das wäre für den Menschen Fluch und Folter zugleich.

In Ihrem Buch hat der Tod das letzte Wort. War Ihnen dieser Schlusspunkt wichtig?

Domian Ja, unbedingt — mit dem Satz: Auch das geht vorbei. Der Tod betont damit, dass man sich seiner Endlichkeit selbst in Zeiten des Glücks bewusst sein muss. Und weiter sagt er: Die einzige Wirklichkeit, die ihr Menschen habt, ist der Moment. Die Vergangenheit ist schon im Besitz des Todes und die Zukunft nichts weiter als eine Illusion. Das ist ein Statement für die Unbedingtheit des Jetzt. Alles hängt in unserem Leben am seidenen Faden. Mit diesem Wissen vor Augen geht man behutsamer und wertschätzender mit dem Leben um.

(RP/csi/jco)
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