Markus Lüpertz wird 70 Maler, Bildhauer, Poet und Freejazzer

Düsseldorf (RP). Markus Lüpertz gehört zu den wichtigsten Künstlern nach 1945. Er glaubt an die Macht der Bilder, praktiziert das Pathos, Künstler hält er für gottgleich. Von der Avantgarde hat er sich dennoch distanziert. 2010 verlegte er seinen Arbeitsschwerpunkt von Düsseldorf nach Berlin. Am Ostermontag feiert er seinen 70. Geburtstag.

Markus Lüpertz gibt gern den exzentrischen Malerfürsten
9 Bilder

Markus Lüpertz gibt gern den exzentrischen Malerfürsten

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Foto: ddp

Eine Begegnung mit Markus Lüpertz birgt immer eine Überraschung. Wird er diesmal mit der Leichtsinnigkeit eines W. A. Mozart daher kommen, die er sich selber zuschreibt, oder aggressiv, gar melancholisch sein? Wird er Jeans und Turnschuhe tragen oder eine seiner liebsten Verkleidungen, den maßgeschneiderten Gehrock mit Seidenhemd und Samtwams, dazu Gamaschen und zweifarbige Spectator-Schuhe?

Seinen Stock wird er jedenfalls dabei haben, auf den er sich stützt, dessen silberner Knauf ein Totenköpfchen darstellt und jedem Auftritt etwas Diabolisches verleiht. Und wahrscheinlich wird er sich, obwohl er angeblich jedem Sofa eine harte Holzbank vorzieht, doch ins weiche Kissen fallen lassen. Denn was Markus Lüpertz auch behauptet und zu Protokoll gibt — es muss noch lange nicht stimmen. Daher hat fast jede Begegnung mit dem selbst ernannten Genie auch einen schalen Beigeschmack.

Dieser Künstler ist gekünstelt. Er schreitet einher als fürstlich-eleganter Dandy aus einer längst vergangenen Zeit. Wie selbstverständlich nimmt er sich diese Selbstinszenierung heraus. Und man kann sich nicht entscheiden, ob sie auf Tiefsinn oder Posse baut, ob sie Anzeichen für Hybris oder Demut ist.

Am Ostermontag wird Markus Lüpertz 70, längst ist er befreit von der Bürde des öffentlichen Amtes als Rektor der Düsseldorfer Akademie, die er bei seinem bewegenden Abschied 2009 "Geniebude" nannte. Bei aller Kritik — die Studenten müssen ihn akzeptiert und gemocht haben. Sonst hätten sie ihm nicht auf ein riesiges Banner eine liebevolle Abschiedserklärung gewidmet: "Auf dass du in Sänften getragen wirst, auf dass die Vögel zusammenfliegen, um die Sonne von dir abzuhalten, damit du im Schatten und geschützt einherschreiten kannst."

Beruhigt konnte er also in den Ruhestand gehen, um seinen persönlichen Unruhestand fortzusetzen. Er verlegte 2010 den Arbeitsschwerpunkt nach Berlin und behielt in Düsseldorf nur eines seiner zwei Ateliers, das im Ratinger Tor. Die Kunststadt am Rhein hatte ihm lange Zeit als Bühne gedient, künftig konnte er als Hauptstadt-Darsteller brillieren. Sein Lebensmittelpunkt war und ist weiterhin Karlsruhe, wo seine Frau Dunja Nedovic mit den jüngeren Kindern lebt. Fünffacher Vater ist er, sein Nachwuchs aus zwei Ehen zwischen 14 und 43 Jahre alt.

Er male mehr denn je, sagte er kürzlich auf einer Vernissage in Köln. Im vergangenen Jahr ist sein Gigant, der Herkules, am Kran hoch oben über die Gelsenkirchener Zeche gehievt worden. Wie die meisten seiner Skulpturen im öffentlichen Raum, so zieht auch der 18 Meter hohe Herkules bereits Kritik auf sich. Noch mehr denn als Maler, wird Markus Lüpertz als Bildhauer oft nicht anerkannt. Woran das liegt?

Die Kunsthistorikerin Andrea Madesta führt das auf einen Enttäuschungseffekt zurück: Seit den 1980er Jahren schaffe Lüpertz zunehmend Bilder und Skulpturen, die auf die Antike verweisen, durch Titel wie Daphne oder Apoll verheiße der Künstler antike Musterkonzeptionen. Sollte der Betrachter nun eine klassische Skulptur erwartet haben, werde er in dieser Erwartung vom Künstler nicht bestätigt, im Gegenteil sogar brüskiert oder provoziert auch wegen der Massigkeit und Deformierung der Figuren.

Kunsthistoriker tun sich oft schwer, die Güte von Lüpertz' Oeuvres anzuerkennen, seine Welt zu verstehen, seine künstlerischen Behauptungen zu akzeptieren. Das hat sicher nicht nur mit seinem markigen Auftreten zu tun. Lüpertz sei bekannt, aber nicht bedeutend, ist zu lesen — und Böseres. Man tut ihm unrecht. Trotz aller Brüche zwischen den verschiedenen Phasen seines Werkes gibt es Charakteristika, die es aus anderen herausheben. Lüpertz distanzierte sich von seinen Künstlerkollegen, die nach 1945 nur in der Abstraktion einen Neuanfang sehen konnten. Er ging seinen Weg, er blieb beim Malen — des Malens wegen. Das Thema der Malerei sei die Farbe, darauf bestand er. Das Pathetische als Ausdruck der Steigerung von Normalität wirkt in seinen Bildern wie ein Kraftfeld.

Schon 1961 konfrontierte er die Öffentlichkeit mit seiner dithyrambischen Malerei, hintersinnig und pathetisch überhöht. Damit bezog er sich auf die Reigen- und Chorlieder, mit denen die Griechen einst ihrem Gott Dionysus huldigten. Schaut man heute seine Malerei über nahezu sechs Jahrzehnte durch, dazu die Zeichnungen, die Plastiken an, dann erfasst man erst in der Chronologie des Künstlers Kosmos: Da gibt es krasse und zarte Tonarten, politische und persönliche Statements, Landschaften und Liebe, Anmut und Magie. Lüpertz fühlt sich der gegenständlichen Darstellung verpflichtet, er bezieht Opposition zum kritischen Potenzial der Moderne. So ist er als Beobachter seiner Zeit ein Sonderling, seine Kunst eine autonome Behauptung. Dabei gelingt ihm der Transfer von Normalität ins Pathetische, was bedeutend ist — zumal in dieser Virtuosität.

Lüpertz glaubt an die Macht der Bilder, Künstler hält er für gottgleich. "Wir würden nie einen Sonnenuntergang in seiner ganzen Pracht sehen, wäre er nicht ein paarmal gemalt worden", behauptet er. "Das Wirkliche ist immer ungenügend, und erst durch den Filter von Kunst sehen wir etwas von Belang. Die Kunst macht uns die Welt überhaupt erst sichtbar."

(RP)
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