Rätselhafter Fingerabdruck Millionenstreit um Leonardo Da Vinci

Leipzig/Paris (RP). Die Veröffentlichung des Fingerabdrucks auf dem mutmaßlichen Leonardo-Porträt einer jungen Mailänderin war nur der jüngste Coup in einem internationalen Kunst-Krimi um Ruhm, Ehre und 100 Millionen Euro.

 Wer ist diese Frau? Kunsthistoriker streiten darüber, ob das Bild Bianca Maria Sforza oder eine Cousine von Lucrezia Borgia darstellt - und wer es gemalt hat.

Wer ist diese Frau? Kunsthistoriker streiten darüber, ob das Bild Bianca Maria Sforza oder eine Cousine von Lucrezia Borgia darstellt - und wer es gemalt hat.

Foto: LUMIERE TECHNOLOGY. COM, AP

Bei ihm war er auch. "Peter Silverman hat mir das Werk schon im vergangenen Jahr vorgelegt und sich dann nach einigen skeptischen Äußerungen nicht mehr gemeldet", so Frank Zöllner gegenüber unserer Zeitung. Für den kanadisch-stämmigen New Yorker Kunsthändler Silverman, der vorgeblich im Auftrag eines anonymen Schweizer Sammlers seit anderthalb Jahren für die Echtheit eines 23,87 mal 33,27 Zentimeter kleinen Porträts wirbt, war das kein schöner Tag.

Frank Zöllner, Professor für mittlere und neuere Kunstgeschichte an der Uni Leipzig, ist der renommierteste deutsche Leonardo-Experte. 2003 veröffentlichte er bei Taschen in Köln eine zweibändige Bestandsaufnahme der kompletten Bilder und Gemälde Leonardo da Vincis. Dass das Porträt "La bella Principessa" ein echter Leonardo sein könnte, schließt Zöllner nicht aus. Aber er glaubt nicht daran.

Die Geschichte mit dem angeblichen Fingerabdruck Leonardos, den ein kanadischer Forensiker auf hochauflösenden Fotos des Bildes entdeckt haben will, die Silverman bei Lumiere Technology in Paris anfertigen ließ, hält Zöllner für einen reinen PR-Gag.

Silverman hat beeindruckende internationale Experten hinter sich versammelt, die sich ebenso beeindruckende Pannen leisten. Sie verhaspeln sich sogar aufgrund von Namensgleichheiten in der Frage, wen das Bild eigentlich darstellen soll. So schließt sich Nicholas Turner, früherer Kurator des Britischen Museums in London und des J. Paul Getty Museums in Los Angeles, der These des Leiters des Leonardo Museums in Vinci, Alessandro Vezzosi, an, bei der Porträtierten handele es sich um die junge Bianca Maria Sforza (1472—1510) vor ihrer Hochzeit 1494 mit Kaiser Maximilian I. (1459—1519).

Der emeritierte Oxford-Professor Martin Kemp will ebenfalls Bianca Sforza erkannt haben — allerdings nicht die Nichte des Herzogs Ludovico il Moro, sondern seine uneheliche Tochter (1482—1496), die er 1489 mit seinem Heerführer Galeazzo da Sanseverino verheiratete.

Sforza-Expertin: "Beides falsch"

Leider beides falsch, urteilt die von unserer Redaktion zu Rate gezogene Sforza-Expertin Maike Vogt-Lüerssen: Weder sehe die Abgebildete einer der Sforza-Biancas ähnlich, noch fänden sich die Attribute der Familie an Haar oder Kleidung. Wahrscheinlicher handele es sich um eine Cousine von Lucrezia Borgia (wir berichteten).

Frank Zöllner hält die ursprüngliche Datierung und Zuordnung des Bildes als Werk eines Leonardo-kundigen Deutschen aus dem 19. Jahrhundert für keineswegs ausgeschlossen. "Kolorierte Zeichnungen auf Pergament sind extrem selten, tauchen nach der Mitte des 15. Jahrhunderts praktisch nicht mehr auf, Leonardo hat das Material nie benutzt", so Zöllner gegenüber unserer Zeitung. Auch wende sich Leonardo in seinen Schriften ausdrücklich gegen die undynamische Darstellung im Profil.

Und: "Das Porträt wirkt in der Tat hölzern, pedantisch und undynamisch, die geröteten Wangen weisen eher auf ein Elaborat des 19. Jahrhunderts hin." Auch Kate Ganz, die New Yorker Kunsthändlerin, der Silverman das Bild für 19 000 Dollar abgekauft hatte, nachdem sie es neun Jahre in ihrem Besitz hatte, bleibt dabei: "Nichts, was ich in den beiden vergangenen Jahren gesehen oder gelesen habe, hat meine Meinung geändert. Ich glaube nicht, dass diese Zeichnung von Leonardo da Vinci ist", sagte sie in der vergangenen Woche.

Sonderlich sicher scheint sich auch Silverman nicht zu sein. Kürzlich stellte Leonardo-Experte Kemp seine Echtheits-These auf einem Literatur-Festival vor und kündigte eine Ausstellung des Bildes in Wien für Mitte September an. Stattdessen wartete Silverman die Veröffentlichung des umstrittenen Fingerabdrucks ab; jetzt soll das Werk im März 2010 ausgestellt werden.

Derzeit soll sich das Bild im Tresor einer Schweizer Bank befinden. Nicht ohne Witz und Brisanz, wie Frank Zöllner aus Kreisen des internationalen Kunsthandels erfahren hat: Wenn es wirklich ein mit 100 Millionen Dollar zu bewertender Leonardo sei, dann wären bei der Ausfuhr der Zeichnung von Frankreich in die Schweiz rund 7,6 Millionen Dollar Einfuhrsteuer fällig gewesen: "Offen bleibt auch die Frage, ob ein dermaßen wertvolles Objekt überhaupt ohne Genehmigung hätte ausgeführt werden dürfen." Aber das müsse man wahrscheinlich Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy fragen.

(RP)
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