Gedenken an Satiriker Gernhardt Onanierender Kragenbär führt zu Denkmalstreit in Göttingen

Göttingen · "Der Kragenbär, der holt sich munter einen nach dem anderen runter" - dieses launige Zitat prägte der 2006 gestorbene Satiriker Robert Gernhardt. In Göttingen halten manche den Spruch für denkmalreif.

 In Bronze gegossen soll der Bär an den vor acht Jahren gestorbenen Satiriker Robert Gernhardt erinnern.

In Bronze gegossen soll der Bär an den vor acht Jahren gestorbenen Satiriker Robert Gernhardt erinnern.

Foto: dpa, hoh tmk

Ein onanierender Kragenbär als Denkmal für einen Schriftsteller? In Göttingen könnte das bald Wirklichkeit werden. In Bronze gegossen soll der Bär an den vor acht Jahren gestorbenen Satiriker Robert Gernhardt erinnern. Er hatte einst getextet: "Der Kragenbär, der holt sich munter einen nach dem anderen runter."

Manche Lokalpolitiker sind alles andere als begeistert. Zu den Kritikern gehören Kulturdezernentin Dagmar Schlapeit-Beck (SPD) und CDU-Ratsherr Wilhelm Gerhardy. Sie finden, der Bär werde Gernhardts Werk nicht gerecht. "Meines Erachtens gibt es keine tiefergehende Botschaft bei diesem onanierenden Bären, als den sexuellen Tabubruch", findet Schlapeit-Beck.

Was Gernhardt wohl selbst zu dem Denkmal gesagt hätte? Er war Mitbegründer der Satire-Zeitschrift "Titanic", wo er Nonsens-Kalauer vom Stapel ließ, absurden Humor - und vor allem politische Satire. Es hatte Jahre gebraucht, bis Gernhardt als ernstzunehmender Literat von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Im Jahr 2004 erhielt er den renommierten Heinrich-Heine-Preis. Es war so etwas wie der Ritterschlag für einen "kritischen Beobachter, Dichter und Karikaturisten der deutschen Zustände", wie es von der Jury hieß.

Der Kasseler Bildhauer Siegfried Böttcher hat bereits ein Modell entworfen, das recht harmlos daherkommt. Der Bär wirkt etwas tapsig und schaut ganz zufrieden. "Ich habe auf Details im Schritt bewusst verzichtet", sagte Böttcher am Dienstag. Gernhardts Witwe habe den 16 Zentimeter großen Entwurf schon gesehen. "Sie findet's gut."

Die fertige Bronzeskulptur soll in etwa die Maße einer Waschmaschine haben und auf dem Robert-Gernhardt-Platz stehen - mitten in Göttingen, wo der Schriftsteller lange gelebt hat. Die Idee kommt von Preisträgern des "Göttinger Elch", einer Satire-Auszeichnung. Der Kunsthistoriker WP Fahrenberg, der den Preis gegründet hat, kümmert sich jetzt um alles Organisatorische rund um das Kragenbär-Denkmal. "Eigentlich hatten wir das schon ad acta gelegt", sagt er.

Im Göttinger Kulturausschuss hatten die Pläne im vergangenen Jahr heftige Diskussionen ausgelöst. Jetzt kommt wieder Bewegung in die Posse. Nach der Sommerpause will der Stadtrat erneut über die Skulptur beraten. Die Chancen, dass sich im Rat eine Mehrheit für das sich befummelnde Tier findet, stehen gar nicht schlecht - meint auch die Vorsitzende der größten Ratsfraktion, Renate Bank von der SPD. "Ich sehe keinen großen Widerstand in meiner Fraktion."

Die Finanzierung ist noch unklar. Fahrenberg ist sicher, dass er ausreichend Spenden sammeln kann. Das müsse aber geklärt sein, bevor der Stadtrat über die Skulptur abstimmen werde, fordert Kulturdezernentin Schlapeit-Beck. Sie betont: Im Stadthaushalt sind bisher keine Mittel dafür vorgesehen. Am Dienstag stellte die Stadt zur Probe schon mal ein Modell auf.

Aufgrund der vielen Kritik hatte sich Fahrenberg zwischenzeitlich schon nach Alternativen umgeschaut. "Interesse gibt es aus zwei anderen Städten." Welche, will er nicht sagen. Der Kunsthistoriker Fahrenberg und der Bildhauer Böttcher sehen in dem onanierenden Bären mehr als den sexuellen Tabubruch. "Es geht um die Ich-Bezogenheit und dass sich die Leute nur noch mit sich selbst beschäftigen", erklärt Böttcher. "Das ist Satire."

(dpa)
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