Kunstprojekt von Sandro Giordano Es gibt Tage, da läuft es nicht so

Die Bilder des italienischen Fotografen Sandro Giordano sind bunt, aberwitzig und grotesk. Sie zeigen heillos verrenkte Körper unmittelbar nach einem Sturz, nie mit Gesicht, sondern immer nur als chaotische Anhäufung von Gliedmaßen. Die doppelbödige Botschaft: Gebt auf euch acht.

Sandro Giordano zeigt "Körper ohne Reue"
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Sandro Giordano zeigt "Körper ohne Reue"

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Foto: Sandro Giordano Instagram Screenshot

Im Internet ist der italienische Künstler mit seinem satirischen Projekt namens "In Extremis (Körper ohne Reue)" bereits ein Star. Mehr als 35.000 Menschen folgen ihm bei Instagram, bei Facebook sind es 5000 Fans.

Regelmäßig veröffentlicht er dort neue Bilder seiner aberwitzigen Kunst: Er lichtet den Moment ab, in dem alles schief gegangen ist, meistens mitten im Alltag beim Einkaufen, Putzen oder der Gartenarbeit. Grotesk überspitzt natürlich.

Darum liegen seine bunt gekleideten Models in hoffnungslos verrenkten Haltungen über Parkbänken oder Treppenstufen. Die Bilder sind sorgfältig arrangiert. Ein Kurzvideo bei Instagram zeigt, mit welcher Genauigkeit Giordano die Haltung einer Frau in Szene setzt.

Seine Arbeit erinnert an die des Amerikaners Kerry Skarbakka, der seit Jahren eigene Stürze mit großer Sorgfalt in Szene setzt und dafür immer wieder Verletzungen in Kauf nimmt. Doch es gibt Unterschiede. Skarbakka geht es ums Existenzielle und Urängste, die in uns schlummern. Bei Giordano aber kommt ein komisches Element hinzu.

"Meine Bilder sind Kurzgeschichten", sagt der Fotograf über seine Werke. Er ist fasziniert vom Moment des Loslassens. Das darf man bei ihm durchaus wörtlich nehmen. In seinen Kurzgeschichten trugen seine Sturzopfer immer Gegenstände bei sich oder waren mit ihnen beschäftigt. Dann kommt etwas dazwischen, sie stolpern und verhalten sich absurd falsch: Anstatt sich selbst zu schützen, versuchen sie die Dinge zu schützen, die sie bei sich trugen. Die Bilder zeigen, was sie davon haben.

Dieses Szenario prägt das ganze Projekt mit inzwischen 150 Fotografien. In Interviews erzählt Giordano, wie zwei eigene Erlebnisse ihn darauf brachten. Im vergangenen Sommer habe er einen Unfall mit seinem Fahrrad gehabt, dabei aber instinktiv versucht Dinge festzuhalten, anstatt sich selbst zu schützen. Wenige Tage später brach sich dann ein Freund ein Bein, als er beim Strandspaziergang versuchte, sein Smartphone vor einem Sturz ins Wasser zu bewahren.

Kerry Skarbakka stürzt im Namen Heideggers
14 Bilder

Kerry Skarbakka stürzt im Namen Heideggers

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Das ließ Giordano nicht mehr los. "Wir leben in einer Welt, in der materielle Dinge mehr zählen als das eigene Leben", sagt er heute. Noch nicht einmal zu Reflexen sind wir in der Lage, weil wir dauerbeschäftigt sind mit anderen Dingen. Ein paar Monate später habe er dann versucht, die absurde Ironie der Vorfälle in genau einem Moment zu fixieren.

Die satirische Komik seiner Bilder spielt für ihn dabei eine wichtige Rolle. "Ich möchte, dass die Menschen über sich selbst lachen können und sich wiedererkennen in ihren kleinen Unfällen, wie sie alltäglich passieren." Sollte das Lachen auch nur einen kleinen Moment der Nachdenklichkeit auslösen, wäre seine Mission schon erfüllt.

(pst)
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