Düsseldorfer Schauspielhaus Schiller, fast zu duftig

Düsseldorf (RP). Am Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert Andreas Kriegenburg Schillers bürgerliches Trauerspiel "Kabale und Liebe" in einem komplett weißen Bühnenbild, dessen Wandelbarkeit fasziniert, in der Farbsymbolik aber nicht aufgeht. Dafür bietet es dem Ensemble Raum zur Entfaltung.

Die Bühne ist weiß wie die Unschuld. Ein Seidentuch, so breit wie der Guckkasten, weht vom Schnürboden herab, die Spielfläche ist ausgeschlagen mit weißer Glanzfolie — und Luise, die Reine, trägt ein duftiges Kleidchen, auf dem ein paar liebreizende Blümchen die einzigen Farbkleckser sind. Ferdinand und sie werden sich an diesem Abend unschuldig, inbrünstig, segensgewiss ihre Liebe gestehen und dann an den Intrigen scheitern, die gegen ihr Glück geschmiedet werden. Nur das Bühnenbild wird immer weiß bleiben, der Seidenstoff wird wehen, sich blähen, Falten werfen, wird Schauspieler umhüllen wie ein Leichentuch, wird sich zu ihren Füßen kräuseln in verzweifelten Minuten, alles sehr schlüssig. Doch die Farbe der Unschuld wird nicht von der Bühne weichen, obwohl sich die Menschen darauf doch immer tiefer in Schuld verstricken.

Der Hamburger Regisseur Andreas Kriegenburg zeigt am Düsseldorfer Schauspielhaus eine sanfte, klug verspielte, überaus lichte Inszenierung von "Kabale und Liebe", die Schillers Hohelied auf das reine, radikale Zutrauen zweier Menschen zueinander ernst nimmt. Das ist angenehm altmodisch und schön anzusehen, denn gerade am Ende können sich die Schauspieler aus dieser Atmosphäre der Ernsthaftigkeit und des nahezu ungebrochenen Zutrauens zu Schiller glaubhaft ins Tragische steigern. So gelingt es Janina Sachau als Luise und Daniel Christensen als Ferdinand anzurühren, als ihr Versuch, über Ständegrenzen hinweg zu lieben, tragisch scheitert.

Zwar gönnt Kriegenburg, anders als Schiller, Ferdinand den erlösenden Tod nicht. Bei ihm vergiftet der misstrauische Jüngling seine Geliebte, doch schleckt er selbst zu wenig von dem tödlichen Pulver und muss am Leben bleiben, als er erkennt, dass er eine Unschuldige strafte. Ferdinand muss mit den Folgen seiner radikalen Reaktion auf die Kränkung seines Egos leben. Das ist zwar kein zwingender Eingriff in das Stück, aber er schadet auch nicht. Die Farbsymbolik dagegen läuft der Anlage dieses Trauerspiels zuwider, weil sie den Zustand der Reinheit und Unschuld auf Dauer stellt, der bei Schiller nur wenige Szenen währt.

Außerdem lässt Kriegenburg das gesamte Stück von dem Düsseldorfer Musiker Ingo Schröder begleiten. Der steht mit allerhand elektronisch verstärkten Zupfinstrumenten unauffällig im engelweißen Anzug am Bühnenrand und liefert den Club-Soundtrack zum Geschehen. Doch was der Inszenierung so akustisch eine moderne Note geben soll, stört bald, weil es ebenfalls ein falsches Kontinuum liefert — eine endlos Begleitung auch in Momenten, in denen Stille das stärkere Mittel gewesen wäre.

Doch Vorteil dieser musikalisch wie farblich akzentarmen Inszenierung ist, dass sie den Darstellern freien Spielraum bietet. Daniel Christensen etwa, der mit dieser Rolle sein Debüt am Schauspielhaus gibt. Geschmackvoll übertreibt er es nicht mit dem Romantisch-Ungestümen seines Ferdinand, lässt dafür später die Verzweiflung glaubhaft wachsen. Janina Sachau gibt dagegen die Luise allzu mädchenhaft-niedlich, traut ihr zu wenig die Stärke einer Frau zu, die mit dem Leben abgeschlossen hat. Die Figur des Strippenziehers und wahrlich kriechtier-schleimigen Wurm verdoppelt Kriegenburg. Daniel Graf und Thiemo Schwarz spielen den servilen Intriganten souverän als simultan sprechendes Doppel. Das ist manchmal komisch und macht sinnfällig, dass die Welt voller verwechselbarer Typen ist, die für das eigene Fortkommen alles tun. Dazu passt Matthias Lejas gekonnt in die Persiflage reichende Darstellung des Präsidenten Walter, dem ebenfalls jedes Mittel recht war, um nach oben zu kommen, und der sich nun in seiner opportunistischen Schläue vom aufrechten Sohn nicht in Frage stellen lassen will.

Den Vater der unschuldigen Luise gibt Götz Schulte fast zu routiniert als zornigen Bürgersmann, und Xenia Snagowski ist eine sehr moderne Lady Milford, der man in Jeans und roten Pumps die selbstbewusste Gespielin der Mächtigen mehr abnimmt als die Verliebte, die ausgerechnet an einem geradlinigen Grünschnabel wie Ferdinand Gefallen haben soll. Unerwartet albern, was Katrin Röver als Gesangsimitatorin beisteuern muss, ansonsten gibt sie den Hofmarschall von Kalb aber hübsch schmierig.

Mit dem überzeugenden Ensemble liefert Kriegenburg einen auf Liebestragödie und Generationenkonflikt reduzierten, aber auch konzentrierten Schiller.

(RP)
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