"Eyes"-Ausstellung in der Galerie Mayer Sehenswerte Videokunst: Tony Ourslers Augen verfolgen Besucher

Düsseldorf · Der amerikanische Medienkünstler Tony Oursler zeigt in Düsseldorf seine Arbeiten. Berühmt wurde er mit dem Comeback-Video für David Bowie.

 Tony Oursler zeigt aktuell in Düsseldorf seine "sehenswerte" Videokunst "Eyes" in der Galerie Hans Mayer.

Tony Oursler zeigt aktuell in Düsseldorf seine "sehenswerte" Videokunst "Eyes" in der Galerie Hans Mayer.

Foto: Galerie Hans Mayer

Diese Ausstellung ersetzt die Lektüre von mindestens 1000 Seiten Theorie über die Medien- und Konsumgesellschaft, und wer sie sich ansieht, wird klüger und sensibler und vor allem: selbstbewusster.

Tony Oursler "Eyes" verfolgen Besucher in der Galerie Hans Mayer
Foto: Galerie Hans Mayer

In der Galerie Hans Mayer gegenüber der Kunstsammlung NRW sind zehn Arbeiten des amerikanischen Videokünstlers Tony Oursler zu erleben. Der Name des 57-Jährigen dürfte vielen spätestens seit dem vergangenen Jahr ein Begriff sein, als er das Comeback-Video von David Bowie gestaltete: In "Where Are We Now" sah man aus Wolle und Draht gefertigte Puppen, auf deren Köpfe Filme mit den Konterfeis von Bowie und einer Frau projiziert waren. Diese Puppen gehören zu Ourslers Werkreihe "Dummies", und das Gesicht der Frau neben Bowie war das von Ourslers Ehefrau.

Tony Oursler "Eyes" verfolgen Besucher in der Galerie Hans Mayer
Foto: Galerie Hans Mayer

In Düsseldorf werden nun Objekte aus einer anderen Werkgruppe des New Yorkers gezeigt, sie heißt "Eyes", er arbeitet seit 1995 daran, und das Prinzip ist bei jeder Arbeit das gleiche: Ein Beamer wirft Filmaufnahmen von menschlichen Augen auf verschieden große Fiberglas-Bälle. Oursler hat Freunde gebeten, sich von ihm beim Schauen der Nachrichten, eines Kinoklassikers oder Computerspiels filmen zu lassen. Der Betrachter der dreidimensionalen Kunstwerke blickt nun in diese Augen, in deren Pupillen er in rechteckigem Rahmen sieht, was das jeweilige Auge sieht, und der Effekt ist eindrucksvoll. Man meint, die Augen unter dem Ansturm der Eindrücke leiden zu sehen. Die Pupillen vergrößern sich, schrumpfen wieder, die Äderchen schwellen an, als wollten sie sich gegen den Fremdkörper in der Iris wehren. Die Lider zucken, legen sich über den Augapfel, schützen ihn aber nur kurz, dann beginnt das Blitzlichtgewitter aufs Neue.

Kein "unbeobachtetes" Schreiten

Man kann nicht unbeobachtet durch den abgedunkelten Galerieraum schreiten, von überall blicken die Augen, von der Decke, den Wänden und vom Boden. Der Lärm ist enorm, denn Oursler hat für jede Projektion einen eigenen Soundtrack komponiert, darin vernimmt man Satzfragmente, das Rauschen eines Fernsehers, Motorengeräusche, das Hallen von Schuhen auf der Straße, das Knallen von Schüssen — den Klang der Gegenwart.

Und genau das ist das Großartige an diesem Künstler, dass sein Werk von der Gegenwart inspiriert ist, dass es auf sie reagiert und sie kommentiert. Oursler arbeitet an der Schnittstelle zwischen Installation, Performance, Videokunst und Klang. Er macht die Technik stets sichtbar, die er für seine Skulpturen benötigt; den Projektor und das Soundsystem platziert er gegenüber den Augen-Bällen. So stellt er die Bedingungen seiner Kunst aus, die Voraussetzungen, unter denen Bilder Gestalt annehmen. Das sind agierende Skulpturen, sie sind auf Resonanz angewiesen, auf den Betrachter also. Man könnte das als essayistische Kunst bezeichnen, als Versuch, einen Ausdruck zu finden für die Erscheinungen der Zeit.

Tony Oursler kommt aus dem Punk. Gemeinsam mit Mike Kelley, der etwa auch Plattenhüllen für die Band Sonic Youth anfertigte, gründete er Ende der 70er Jahre die Gruppe Poetic. Und er gehörte dem losen Zusammenschluss von Künstlern an, die sehr kritisch auf die Möglichkeiten der zeitgenössischen (Medien-) Kultur schauten — unter ihnen waren auch Laurie Anderson und Paul McCarthy. Inzwischen sind Ourslers Werke in den renommierten Museen zu sehen, im MomA, im Guggenheim und bei Julia Stoschek. Und Oursler hat nie aufgehört, über das zu reflektieren, was uns umgibt und was auf uns einstürmt, und er hat stets nach Formen gesucht, die seine Bedenken zum Ausdruck bringen.

"Eyes" als idealer Träger der Botschaft

Die "Eyes" sind der ideale Träger für die Botschaft Ourslers. Die Augen werden bei längerer Betrachtung zu Persönlichkeiten, man bekommt Mitleid mit ihnen, weil die Bilder ohne Unterlass heranbranden. Es kommen einem die Szenen aus "Clockwork Orange" in den Sinn, in denen sich der Junge namens Alex stundenlang mit brutal aufgesperrten Augen Gewaltexzesse ansehen muss. Und wenn es stimmt, dass die Augen der Spiegel der Seele sind, dann wirken die Bilder auch auf die Psyche der Menschen und beeinflussen das, was man Persönlichkeit nennt.

Man verlässt die Galerie mit einer beunruhigenden Erkenntnis: Diese Augen sind meine eigenen. Und sie können sich nicht wehren.

Die Ausstellung dauert bis zum 2. Mai 2014. Galerie Hans Mayer, Grabbeplatz 2, Düsseldorf. Öffnungszeiten: Di - Fr, 10 bis 18 Uhr, Sa, 11 bis 16 Uhr.

(felt)
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