Vergleich mit NS-Zeiten Urs Widmer kritisiert "Sprache der neuen Ökonomie"

Frankfurt/Main (RPO). Der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer vergleicht den heutigen Sprachgebrauch drastisch mit der Sprache des Nationalsozialismus. Die "Sprache der neuen Ökonomie" verschleiere Widersprüche und beschönige viel. Wo aber keine Widersprüche mehr deutlich würden, werde auch nicht mehr gedacht.

Das vermeintliche Paradies der Konsumgesellschaft habe mit der Diktatur gemeinsam, dass es dort keine Literatur, sondern nur Lobgesang gebe, kritisierte Widmer zum Auftakt seiner Poetikvorlesungen, die er vom 16. Januar bis zum 13. Februar in der Goethe-Universität in Frankfurt hält.

Der Schriftsteller zog eine Parallele zum Gebrauch der Sprache in der NS-Zeit und fragte: "Gleicht die Kraft von damals nicht der Power von heute?" Wer im Jargon der neuen Ökonomie spreche, zeige, dass er zu den Siegern gehören wolle. Aber "nicht nur die Liebe macht blind, sondern auch der Wille, zu den Siegern zu gehören."

Urs Widmer wendet sich mit seinen Vorlesungen vor allem gegen literaturfeindliche Tendenzen im vorherrschenden Sprachgebrauch. Die "Sprache der neuen Ökonomie" versuche, bestehende Widersprüche zu verschleiern, sagte der 68-Jährige. Literatur aber sei auf Zweideutigkeiten angewiesen, erklärte Widmer und fügte hinzu: "In unambivalenten Zonen wird nicht gedacht."

Urs Widmer hat Romane, Erzählungen und Theaterstücke geschrieben, zuletzt veröffentlichte er im vergangenen Jahr den Roman "Ein Leben als Zwerg". Auch seine Poetikvorlesungen zu "Vom Leben, vom Tod und vom Übrigen auch dies und das" sind in einem gleichnamigen Buch zusammengefasst.

Die seit 1959 bestehende Stiftungsgastdozentur Poetik geht auf eine Initiative des S. Fischer-Verlags zurück. Die erste Dozentin war Ingeborg Bachmann. Ihr folgten zahlreiche andere wichtige Vertreter der deutschsprachigen Literatur.

(ap)
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