Düsseldorf Uecker zittert ein wenig vor Düsseldorf

Düsseldorf · In der Kunstsammlung NRW wird zurzeit eine große Ausstellung des Nagelkünstlers aufgebaut. Ein Arbeitstreffen.

Günther Uecker kommt mit dem Taxi. Bleischwer ist seine Tasche. 50 Kilo Nägel schleppt er an, die er am Nachmittag noch in der Kunstsammlung verarbeiten wird. "Die müssen dicker sein als die, die ich vorgefunden habe", sagt er. Uecker ist derzeit von morgens bis abends am Grabbeplatz anzutreffen - er kontrolliert und inspiriert den Aufbau seiner Ausstellung in Düsseldorf, die nächste Woche eröffnet wird. "Es muss authentisch sein", sagt er mit donnerndem Lachen, "ich muss alles im Auge behalten." Es ist die erste große Soloschau in seiner neugewonnenen Heimatstadt, seit er 1955 aus dem Osten über Berlin nach Düsseldorf kam. Gerade noch zeigte er Arbeiten im kubanischen Nationalmuseum, im Herbst im New Yorker Guggenheim, unzählbare Ausstellungen in fast allen Ländern der Erde gab es davor.

Nur in Düsseldorf nicht. Und dieses Datum in Düsseldorf hat neben der Freude fast eine beängstigende Note für ihn: Hier fühlt sich Uecker mit bald 85 Jahren auf den Prüfstand gestellt, gewissermaßen auf dem Präsentierteller. Ein wenig Lampenfieber hat er. All seine Freunde, die Künstlerkollegen, Galeristen, die Nachbarn, die Familie - die ganze Szene wird sich versammeln und schauen, was die wichtigsten Werke seines Lebens waren.

Das festzulegen, fällt schwer. Sein Werk ist reich und lebendig, formal vielfältig - nicht der Nagel alleine, der sein Markenzeichen ist, prägt Ueckers Kunst. "Alle Düsseldorfer Museen zusammengenommen würden nicht ausreichen, all das zu zeigen, was ich geschaffen habe", sagt er. Gemeinsam mit Marion Ackermann arbeitet der Künstler seit fast drei Jahren an dieser Ausstellung. Aus einer imaginären Liste von zehn kapitalen Werken galt es auszuwählen. Nicht Masse ist erwünscht, keine Retrospektive, sondern das Herzstück, der Kern, "The Best of" über mehr als 60 Jahre künstlerischen Strebens und Schaffens. Dies alles vollzog sich, Tag für Tag, unter großer Wucht und mit hoher Emotionalität.

Die beiden Hallen im Erdgeschoss sind jetzt Uecker-Hallen. Den Raum ohne Tageslicht hat er in der Anmutung seines Ateliers gestalten lassen. Der lichte Raum auf der anderen Seite ist eine Bühne der Worte und Taten geworden mit Botschaften aus Ueckers Werk. "Das Museum ist ein Ort der Agitation des Geistes" - aus der Zeit dieses Ausspruchs stammen seine großen bildhauerischen Arbeiten wie das "Terrororchester", der "New York Dancer", die "Sandmühle". Im hinteren Bereich hängen deckenhoch die gemalten "Briefe an Peking" und die Tafeln mit "Verletzungswörtern" in fast allen Sprachen der Welt.

Mit der Ausstellung schlägt Uecker sein Tagebuch auf. Aus vielen Ländern und Sammlerwohnungen wurden Werke erstmals entliehen, die er selbst oft 50 Jahre nicht gesehen hat. So taucht er tief in seine Erinnerung ein. "Es erstaunt mich. Und es berührt mich sehr." Eine dieser Raritäten ist das Nagelrelief, das er schuf, nachdem er am Bett seines Freundes und Schwagers Yves Klein Totenwache gehalten hatte, 1962 in Paris. Klein war jung an einem Herzinfarkt gestorben. Zarte rote Farbpigmente entdeckt man im Innern dieses genagelten Feldes. Sie stehen für das zerrissene Herz des Künstlers und gleichermaßen für Ueckers Mitgefühl.

(RP)
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