Serie Top Ten Der Architektur Im Rheinland (9) Kunstschrein zwischen Rübenäckern

Die Langen Foundation ist ein Beispiel für streng geometrisch gebaute zweckfreie Architektur, die sich dem Ort unterordnet. Der Japaner Tadao Ando (73) ist ein mit allen Preisen dekorierter Architekt und Self-Made-Man.

Neuss-Holzheim Es muss ein Tag im Frühling gewesen sein, als der japanische Architekt Tadao Ando das erste Mal das Gelände in Augenschein genommen hat, für das er später seine scheinbar jeder Funktion enthobene Architektur entwarf. Museum soll man dieses geometrisch geprägte Gehäuse nahe Düsseldorf auch nicht nennen. Es ist der Sitz der privaten Langen Foundation und liegt mit in vorderster Konkurrenz beim Wettbewerb um das schönste Kunstausstellungshaus im museumsreichen NRW.

Die Natur der niederrheinischen Landschaft zwischen Neuss-Holzheim und Grevenbroich-Kapellen entfaltet im Frühling ihr üppiges Grün - wie bei einer Explosion. Die Kirschblüten, der erste Löwenzahn, das Blattwerk der Apfelbäume und die geheimnisvolle Verwandlung von karger Erde in Boden für sprießendes Leben. Das muss der mit allen Preisen seiner Zunft ausgezeichnete Architekt als Aufforderung zum Tanz aufgefasst haben, als Inspiration. Hinzu kommt als Kontrapunkt, dass die Felder von seltsamen Erdwällen eingefasst sind, was mit der Geschichte des Ortes zu tun hat. Früher war alles anders, das Gelände eine Nato-Basis. Raketensprengköpfe lagerten zwischen Rübenäckern, Flugabwehrraketen hinter Maisfeldern, Abschussrampen lagen am Ende von Feldwegen. Doch von früher ist nicht mehr viel da. Seinen schwebenden, von Licht und Luft umhüllten Baukörper hat der Japaner in diese Landschaft gesetzt und mit einer unerhörten Leichtigkeit und formvollendeter Schönheit komponiert. Fast so, als sollten die Wunden des Kalten Krieges heilen.

"No purpose" stand über dem Entwurf, den der Sammler und verdienstvolle Entwickler des Geländes, Karl-Heinrich Müller, 1994 als visionäres Projekt bei dem von ihm verehrten Architekten in Auftrag gegeben hatte. Am Anfang war es also ein Entwurf ohne Absicht und Ziel und Funktion - l'art pour l'art.

Niemand konnte ahnen, dass sieben Jahre später die Kunstsammlerin Marianne Langen diese Zeichnung von Ando sehen würde und sogleich entschied, von ihm ein Ausstellungshaus bauen zu lassen. Insbesondere für ihre japanischen Rollbilder suchte Marianne Langen Ausstellungsräume. "Das wird das größte Kunstwerk, das ich je erstanden habe", soll sie damals frohlockt haben. Die rund zehn Millionen Euro Baukosten hat sie ohne öffentliche Mittel aufgebracht, dafür eines ihrer Bilder aus der Sammlung der Klassischen Moderne verkauft. Die Fertigstellung und Einweihung der Langen Foundation im Mai 2004 erlebte die Mäzenin nicht mehr selber. Die Liebe zur Kunst hat das Ehepaar auf die nächste Generation weitervererbt, wie ihre Tochter Sabine Crasemann-Langen erzählt. Mit ihr an der Spitze führt die Familie das Erbe von Viktor und Marianne Langen fort. "Wichtig ist, dass man in der Kunst lebt", sagt sie und "dass das Programm zum Haus passt." Gerade in diesen Wochen erlebt man die perfekte Ausstellung mit Olafur Eliasson. Sein Werk fügt sich in die Architektur, und die Architektur bietet ihr den denkbar edelsten Rahmen.

"Man leiht sich den Ort, an dem man baut, von der Natur aus", gilt als eine Maxime des Japaners, der neben der Achtung des Spezifischen des Ortes stilistisch seinen Bauten geometrische Strenge, Klarheit und Transparenz verordnet. Verbaut wurden Beton, Stahl und Glas - ein Dreiklang, dem der Architekt die vermeintliche Kühle nimmt. Vor das Haus wurde auf Wunsch der Stifterin ein großer Spiegelteich gesetzt, der einstimmt auf den stillen, luziden Ort. Unter Glas spaziert man entlang der Natur. In dieser Wandelhalle fühlt man sich drinnen und draußen zugleich. Die Schaltafeln der Wände haben die Maße von Tatami-Matten, die Oberfläche des Betons wurde geglättet und mit Lochpunkten fein strukturiert. Zwei unterschiedliche Gebäudetrakte sind im Winkel von 45 Grad aneinandergesetzt, das Haupthaus besteht aus zwei Quadern, die in die Erde gegraben sind. 1300 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit zum Teil acht Metern Raumhöhe stehen immerhin zur Verfügung, eine lange Rampe verbindet die Ebenen, und es gibt zahlreiche Nischen. Die Japan-Galerie im Untergeschoss ("Raum der Stille") optimiert die Präsentation, während andere Räume kniffliger zu bespielen sind.

Mehr Kunstschrein als Museum ist dieses Haus, das sich selbst genügt. Sinnbildlich führt eine frei schwebende Treppe wie eine Himmelsleiter aus dem Dunkel des Untergrunds ins Helle der umgebenden Natur zurück. So geht das Kalkül des Architekten auf: Architektur und Ort vermählen sich.

(RP)
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