Porträt Lana Del Rey Eine Kunstfigur macht Karriere

Düsseldorf · Größer als das Leben ist die Rolle, die Lana Del Rey angenommen hat. Auf ihrem neuen Album "Honeymoon" folgt die Amerikanerin weiter dem opulenten Vintagestil. Zugleich aber deuten sich Änderungen an.

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Foto: Photographer: NICOLE NODLAND

Die Geschichte geht so: Unbekannte Sängerin lädt selbstgeschnittenes Musikvideo auf Youtube hoch. Welt liebt Video, klickt wie irre. Plattenfirma verpflichtet Sängerin. Sängerin nimmt Album auf. Album verkauft sich millionenfach. Sängerin wird Superstar.

Die andere Geschichte geht so: Tochter eines erfolgreichen Unternehmers lernt mit siebzehn Gitarre. Zieht nach New York, tritt als "Sparkle Jump Rope Queen" in kleinen Klubs auf, schreibt hunderte Songs. Plattenfirmen werden auf sie aufmerksam. Ein Album erscheint, das niemand hören will. Sängerin gibt sich einen anderen Namen und schlüpft in die Rolle einer suizidalen Filmdiva. Als "Video Games" online geht, ist die Platte, die sie zum Star machen wird, längst fertig.

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Foto: Peter Wafzig

Beide Geschichten sind wahr. Was typisch ist für die Wahrnehmung von Lana Del Rey, die in diesen Tagen ihr viertes Album "Honeymoon" veröffentlicht: Trotz der offensichtlichen Inszenierung lässt man sich bereitwillig darauf ein. So sepiafarben ihre Porträtaufnahmen, so schmachtend der Blick, so schmollend die Lippen, so vertraut die Idole, denen sie nacheifert.

Ein Image, scheinbar beliebig zusammengesetzt aus unzähligen Zitaten der Popkultur; den Filmschönheiten der 50er Jahre, den überlebensgroßen Liebesmelodramen des klassischen Hollywoodkinos. Gegen diese glamouröse Nostalgie stellt sie die Todessehnsucht tragisch gestorbener Ikonen wie Kurt Cobain oder Janis Joplin, bedient sich beim Surrealismus von David Lynch.

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Dabei entsteht ein Kaleidoskop aus Sehnsüchten und Referenzen, das viele anspricht: Indiemusikblogger, Feuilletonisten, Boulevardmedien, die Modepresse und schließlich die breite Öffentlichkeit. Für jeden ist etwas dabei. Und auch wenn allen die Künstlichkeit bewusst ist, befeuern doch alle den Mythos weiter, bis das Zitat selbst zum Vorbild geworden ist.

Um ein solches Vorbild zu sein, musste Elizabeth "Lizzy" Grant, so ihr Geburtsname, erst zu Lana Del Rey werden. Neuerfindungen sind im Pop selbstverständlich. David Bowie, Madonna, Lady Gaga haben alle Identitäten erschaffen, die sie zu Stars machten. Grants Kunstfigur heißt Lana Del Rey - benannt nach der Schauspielerin Lana Turner und einem Strand in Florida.

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Sie bewegt sich durch eine morbide Super-8-Film-Ästhetik, trägt Jeans-Shorts mit Converse-Turnschuhen, hat eine Bienenkorb-Frisur und Blumenkränze im Haar. Dazu nimmt Del Rey die Rolle des leicht unterkühlten, klassisch-schönen Glamourgirls an, das ein Faible für tätowierte Bad Boys hat. Ein überkommen anmutendes Frauenbild, für das sie viel Kritik einstecken musste.

Die Kritik scheint kalkuliert. Denn in Interviews lässt Grant Begriffe wie "Gangsta-Nancy-Sinatra" fallen und tituliert sich als "Lolita, die sich im Ghetto verlaufen hat". Sie irritiert, wenn sie sagt: "Ich wünschte, ich wäre schon tot" und dann erklärt, dass sie Kurt Cobain und Amy Winehouse bewundere, weil diese einen frühen Tod gestorben sind. Sie singt mehrdeutige Zeilen wie "He hit me and it felt like a kiss" oder "I fucked myself up to the top". Gerüchte sind über sie im Umlauf: Sie habe ihre Lippen absichtlich verspritzen lassen, von Beziehungen mit Axl Rose oder Marilyn Manson wird gemunkelt. Ob etwas davon stimmt, ist nicht von Bedeutung. Wichtig ist, dass dadurch ihre Geschichte wachsen kann.

Und auch mit ihrer Musik folgt Grant dieser Erzählung. Ihre Alben werden von einem opulenten Klangteppich aus Streichern, Glocken, Harfen und Kinderchören getragen, Pathospop, der wie der Soundtrack zu besonders tragischen und gleichzeitig prächtigen Hollywoodmelodramen wirkt. Ihre Musik, ihr Auftreten ist wie ein Instagramfilter - auf ein Bild gelegt ruft er ein bestimmtes Gefühl hervor, bleibt aber letztlich eine Simulation, die Behauptung von etwas Echtem. Lana Del Rey ist ein Trugbild. Aber eines, von man dem man sich gern faszinieren lässt.

Auch im Video zu "High By The Beach", der ersten Single aus ihrem aktuellen Album "Honeymoon", bedient sich Grant dieser Methode: Im wehenden Bademantel rennt sie durch ein Strandhaus, das von einem Hubschrauber mit Paparazzis umkreist wird. Und doch gibt es diesmal eine entscheidende Änderung.

Lana Del Rey, die in ihrem Auftreten oft passiv wirkt, schießt den Hubschrauber mit einem Raketenwerfer vom Himmel. Eine überlebensgroße, cineastische, pathetische Geste. Aber vielleicht ein wichtiger Schritt hin zu einem neuen Bild. Denn es wäre sicher interessant zu sehen, was die Frau, die von sich sagt, dass sie zuerst Songwriterin sei und danach Sängerin, mit dieser aktiveren Rolle anstellt.

(RP)
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