Köln Lars von Triers Lehrstück über das Böse in der Welt

Köln · Grandiose Saisoneröffnung mit einer sehr filmischen Theaterinszenierung: "Dogville" am Schauspiel Köln

Im Rheinland beginnen endlich die Spielzeiten an den großen Theatern. Noch vor Düsseldorf hat das Schauspiel Köln am Wochenende die neue Saison eröffnet. Und langsam, so glaubt man, wird nicht mehr alles nur an der nach Hamburg abgewanderten Karin Beier gemessen. Mit einer Film-Adaption eröffnet Stefan Bachmann.

Nachdem er "Die Seeräuber-Jenny" von Brecht/Weill im Radio gehört hatte, schloss sich Filmemacher Lars von Trier Anfang des Jahrtausends in einer Hütte ein und schrieb ein Drehbuch über Rache. "Dogville" wurde ein großer literarischer Stoff, der lehrstückhaft Menschlich-Allzumenschliches behandelt und seit Jahren auf Theaterbühnen überprüft wird. Lars von Triers Film mit Nicole Kidman lotet mit den Mitteln des Theaters die Grenzen des Kinos aus. Bastian Kraft hat sich jetzt mit einer großartigen, sehr filmischen Inszenierung am Schauspiel Köln an die Grenzen des Theaters begeben.

Eine seltene Meisterleistung ist die Bühne von Peter Baur, der auch das Videokonzept erarbeitet hat. Sie ermöglicht dem Zuschauer im weiten Depot der Interimsspielstätte Carlswerk drei Sichten auf das Geschehen: Er schaut klassisch von vorne auf ein offenes Bühnenrechteck. Durch einen schräg angebrachten Deckenspiegel hat er eine Draufsicht, die durch projizierte Bilder aus dem Buch des Erzählers strukturiert wird - was wiederum an das Film-Set aus Kreidestrichen im schwarzen Raum erinnert. Zwei Kameras filmen außerdem Nahaufnahmen der Schauspieler, die die Regie über das Spiegelbild legt.

In dichten zwei Stunden 20 ohne Pause verfolgt das Publikum atemlos eine Geschichte um Moral, Schuld und Sühne, um die Frage nach dem Wesen des Menschen und wie das Böse in die Welt kommt. Katharina Schmalenberg gibt angenehm zurückgenommen Grace, die als Fremde nach Dogville kommt und bis kurz vor Schluss an das Gute in seinen Bewohnern glaubt. Sie bringt noch Verständnis für die Dörfler auf, als sie sie schamlos ausnutzen und regelmäßig vergewaltigen. Gerrit Jansen glänzt in der Rolle des selbsternannten Philosophen und Moralpredigers Tom, der eine überraschende Kehrtwende vollzieht und den Showdown am Schluss ins Rollen bringt.

Auch wer die Geschichte mit ihren verstörenden Wendungen schon kennt, wird Gefallen an der Inszenierung und ihrem klugen Regiekonzept finden. "Dogville" erinnert an die grandiosen Arbeiten Katie Mitchells während Beiers Intendanz. Auch sie hat Film und Theater in einer aufregenden Mischform zusammengebracht. Bastian Kraft, der am Gießener Institut für angewandte Theaterwissenschaft studiert hat, lotet mit diesen Mitteln die feinen Zwischenräume zwischen Wahrheit und Lüge, moralischem Handel und Arroganz aus. Seine starke Saisoneröffnung lässt hoffen, dass das Schauspiel Köln unter Stefan Bachmann wieder an die alte Stärke der Beier-Zeit heranrobbt. In der vergangenen Saison war es meist weit von dieser Qualität entfernt.

Die Vorstellungen in diesem Monat: am 13., 14., 16., 24. und 25. September in der Interimsspielstätte Depot, Schanzenstraße 6, Köln. Karten unter 0221 22128400 oder per E-Mail tickets@buehnenkoeln.de

(RP)
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