Essen Leberkäs mit Löwensenf

Essen · Mordsgaudi: Die Toten Hosen machen in der "Lichtburg" in Essen Kabarett mit Gerhard Polt.

Um sich diesen Abend vorzustellen, denke man an neun Jungen, die sich auf einem alten Speicher treffen. Der Speicher, das merken die Jungen sofort, ist der allerherrlichste Ort, denn er steht voll mit Krimskrams, mit einer Tuba und einer mannshohen Pauke nämlich, mit Jukebox, Kunstpalme und so einem rollbaren Ding, mit dem sie in feinen Hotels das Gepäck zum Aufzug befördern. Die Jungen sind Freunde, sie benutzen jedes dieser Objekte, sie probieren rum und machen sich einen Spaß daraus. Es geht ziemlich ausgelassen und in seiner Gagahaftigkeit geradezu virtuos zu, und irgendwann sind zweieinhalb Stunden um, und die Jungen müssen nach Hause. Sie verlassen den Ort grinsend.

Der Dachboden ist eine Bühne, die Männer darauf sind längst keine Jungen mehr, und davor sitzen ganz viele Leute und sehen ihnen beim Spielen zu, ansonsten stimmt alles: Die Toten Hosen treten mit den drei Well-Brüdern aus Bayern - die mancher noch als Biermösl Blosn kennt - in der ausverkauften "Lichtburg" in Essen auf, und Gerhard Polt kommt zwischendurch dazu und redet Blödsinn. Zusammengenommen ist das konzertantes Kumpel-Kabarett. Leberkäs mit Löwensenf.

Die Toten Hosen spielen ihre Lieder ohne Strom, sie lassen sich von den Kollegen begleiten, die sie vor 30 Jahren bei einem Festival in Wackersdorf kennengelernt haben, und durch Unterstützung von Hackbrett, Brummtopf, Harfe und Zither bekommen Stücke wie "Wannsee" und "Laune der Natur" etwas Karibisches, manchmal gar eine Balkan-Note - so paradox das klingen mag. Die Well-Brüder stehen wie die drei Stooges aus Fürstenfeldbruck da, scheinbar unbedarft, aber wenn sie eigene Lieder singen, entsteht vergiftete Folklore. "Der kraftlose Ministerpräsident Armin Laschet", reimen sie dann, "der ist so herausragend, wie's herausragend nimmer geht, wenn er zwischen zwei Gartenzwergen steht."

Sie werfen sich mit den Kumpels aus Düsseldorf voller Sprachlust und Spielfreude die Bälle zu, aber es wird nie albern, der Wahnsinn wird intellektuell abgefedert. Humptata und Heidegger. Einmal singt Campino den Vogelhändler aus der "Zauberflöte" und klingt dabei nur ein bisschen wie eine Nachtigall. Die Well-Brüder können Schuhplattler und Bauchtanz, und derjenige unter ihnen, der am wenigsten sagt, wird als "Philosoph" bezeichnet, weil in Bayern ein Schweiger gleich als Denker gilt.

Gerhard Polt gibt den Conférencier, er hat seine Auftritte zwischen den Stücken. Dann tritt er als Herr Schikaneder vor, der den Musikverlag "Eagle Wing Event Association" führt, und dessen Urahne Emanuel Schikaneder einst das Libretto der "Zauberflöte" schrieb. Er versucht nun, die Nachwuchsband Die Toten Hosen unter Vertrag zu nehmen, so geht der Running Gag. Das ist sicher nicht die lustigste Rolle in Polts Karriere, sorgt aber immer wieder für Lacher im ohnehin stark euphorisierten Publikum: "Der Mozart war musikalisch eine gute Kraft, aber charakterlich ein Schwein."

Gegen Ende blasen alle zusammen in die Alphörner. Kein Trübsal. Bloß Grinsen. Mordsgaudi.

(hols)
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