Düsseldorf Hardrock aus dem Eispalast

Düsseldorf · Led Zeppelins stets unterschätzte LP "Presence" aus dem Jahr 1976 ist neu zu entdecken.

Led Zeppelin legt "Presence" noch einmal auf
Foto: dpa

Dieses Album ist gigantisch, und wer ihm zum ersten Mal begegnet, weil er bei Erscheinen 1976 erst drei Jahre alt war, kommt zunächst nicht über das Eröffnungsstück hinaus: "Achilles Last Stand" macht süchtig, es ist grandios gebaut und wird so ultratrocken serviert, dass man nach Ablauf der zehneinhalb Minuten Spielzeit den Laser auf der CD zurückskippt: Noch einmal, bitte. Led Zeppelin heißt die Band, "Presence" die Platte, die nun noch einmal aufgelegt wurde, und in den vergangenen vier Jahrzehnten galt unter Fans der Briten als notariell beglaubigt, dass das siebte Album der Gruppe ziemlich minderwertig sei. Was für ein Quatsch.

Auch dafür ist die aktuelle Zeppelin-Edition, die von Gitarrist Jimmy Page betreut wurde, zu loben: Dass man sich das Werk einer der größten Bands der Rockgeschichte unbefangen erschließen kann, dass man Neubewertungen vornimmt und andere Sichtweisen und Höreindrücke zu ihrem Recht kommen lässt. Die letzte Lieferung an Reissues ist nun da, neben "Presence" liegen "In Through The Out Door" ('79) und die posthum erschienene Sammlung "Coda" ('82) vor. Das Ereignis indes ist "Presence".

Es war eine schwarze Zeit damals, die Musiker durften aus steuerlichen Gründen zwei Jahre englischen Boden nicht betreten, und ihr Haus in Malibu wurde "Henry Hall" genannt, wobei "Henry" für Heroin steht. Sie waren erschöpft und drogenkrank, und sie merkten, dass es auf dem Olymp verdammt einsam sein kann. Sänger Robert Plant wurde im Urlaub auf Rhodos bei einem Autounfall das Bein zertrümmert, und er machte den mit Okkultismus kokettierenden Page dafür verantwortlich - der habe ihn verhext.

So war die Stimmung, als man im November 1975 in München in Giorgio Moroders Musicland-Studio zusammenkam. Plant war nicht sicher, ob er je wieder würde laufen können, er saß wechselweise im Rollstuhl oder auf einem thronähnlichen Sessel der Band gegenüber, und gemietet war das Studio für nur drei Wochen. Die Zeit reichte nicht, also rief Jimmy Page bei Mick Jagger an, denn die Stones hatten das Studio im Anschluss gebucht. Zwei Tage gewährte Jagger. Das genügte.

Unter Zeitdruck entstanden sieben faszinierende, von allem Bombast befreite Songs. Es gibt keine Keyboards und akustischen Instrumente auf "Presence", nur Gitarren, Drums und Verstärker. Rockabilly, Blues, Hardrock: Die Atmosphäre ist kalt, der Druck enorm. Robert Plant klagt über das Leben im Eispalast, Schlagzeuger John Bonham macht einen unfassbar tollen Job, und Jimmy Page reißt sich die ganze Platte einfach unter den Nagel. Höhepunkte: "Achilles", "Nobody's Fault But Mine", "Tea For One".

Bemerkenswert ist das bisher unveröffentlichte Stück auf der Bonus-CD der Deluxe-Ausgabe. "Pod" ist ein pianogetragenes Instrumental, das sonnig anmutet, ein bisschen nach Crosby, Stills & Nash klingt und von Bassist John Paul Jones sehr schön akzentuiert wird.

Selten war man so dankbar für eine Wiederveröffentlichung.

(RP)
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