Köln Lit.Cologne - von Donna Leon bis Bastian Pastewka

Köln · Vielleicht ist es ja so, weil die Leute nicht mehr lesen und sich lieber vorlesen lassen wollen. Also das mit der Lit.Cologne und ihrem Riesenerfolg. Nimm zum Beispiel zwei Schauspieler, setze sie in die feine Philharmonie - und du kannst die über 2200 Plätze wenigstens dreimal verhökern. Nun gut, mit Hannelore Hoger und Dietmar Bär fand man auch zwei extrem eindrucksvolle Sprecher, die selbst mit so unerquicklichen Themen wie Ehe-, Kleider- und Finanzkrise faszinieren. Hoger liest die Texte großer Autoren über die kleinen privaten Dramen mit brüchiger Stimme, die erkennen lässt, dass an der Katastrophe nicht mehr zu rütteln ist. Während Bärs lakonischer Ton uns daran erinnert, dass Katastrophen normal, keine Ausnahme sind.

Der Stargast an diesem Abend aber hat mit seiner Lebensgeschichte ein Beispiel dafür gegeben, dass alles Furchtbare nicht auch furchtbar enden muss. Denn der Konzertpianist James Rhodes hat in "Der Klang der Welt" darüber geschrieben, wie er als Kind viele Jahre sexuell missbraucht worden war und wie ihm die klassische Musik half, wieder Vertrauen ins Leben zu bekommen. Rhodes kam unkonventionell im schwarzen T-Shirt; auf dem steht dick und fett "Bach". Doch bevor er zu reden und zu spielen beginnt, entschuldigt er sich beim Kölner Publikum, dass er nicht Deutsch spreche. Das Auditorium lacht etwas und klatscht etwas; zu groß ist noch die Scham über den Eklat am gleichen Ort wenige Tage zuvor.

Eine finstere Gala. Was aber an diesem Abend funkelt, ist die Sprache, sind die richtigen, treffsicheren Wörter einer besinnungslos ehrlichen Literatur. Mit ihr wird beschrieben, wenn von Existenzen nur noch ein Krumen übrigbleiben.

Auf der anderen Rheinseite geht es munterer zu, denn Donna Leon beweist im Tanzbrunnen, dass man sie ehrlicherweise eine Rampensau nennen müsste, wäre das Wort nicht allzu unschicklich für die 73-Jährige. Sagen wir darum lieber: Sie mag das Publikum, vor allem fernab ihrer Venedig-Heimat. Denn dort nimmt sie Reißaus, wenn im Sommer das Touristen-Heer die Lagunenstadt flutet. Das ist nicht ihr Venedig und wahrscheinlich auch das von Commissario Brunetti nicht.

Donna Leon ist mal ulkig, mal nachdenklich; sie müht sich mit Erfolg, originell zu sein. Dazu muss sie sich nicht anstrengen. Es reichen die Geschichten ihres venezianischen Lebens, etwa von der Entstehung ihres erstens Brunetti-Krimis. Das war nach ihren Worten nur ein Scherz, entstanden in der Pause einer gruseligen Opern-Inszenierung. Im Freundeskreis kursierte darauf die Frage, ob man den Dirigenten nicht umbringen könne. Das wollte man aber nicht; also schrieb Leon lieber einen Krimi. Das war vor 25 Jahren; und da die Amerikanerin brav jährlich einen Krimi liefert, wird im Mai der 25. erscheinen. Der wird wiederum in der Oper - ein echter Jubiläums-Brunetti also. Und aus dem wurde jetzt schon vorgelesen, mit Unterstützung von Annett Renneberg, die genauso bezaubernd ist wie in ihrer Rolle der Leon-Verfilmung, die als Donna Elektra so ein bisschen vornehm ist und obendrein ulkig erscheint mit ihren dezent abstehenden Ohren.

Noch spektakulärer wurde es nur noch tags drauf erneut im ausverkauften Tanzbrunnen. Jetzt aber mit Bastian Pastewka als Sprecher und Fernseh-Gag-Schreiber Christ Geletneky, erstmals als Romanautor. Buch und Hörbuch von "Midlife Cowboys" kommen erst heute in den Handel und beschreiben endlich das, worauf die Welt gewartet hat: die Sinnkrise der Männer in der Lebensmitte. Dazu gehören auch selbstkritische Beschreibungen männlicher Genitalien als ästhetische Sollbruchstelle. Einfach unglaublich, diese Lit.Cologne.

(los)
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