"Magic Life" Eine Bilderbuch-Karriere

"Magic Life" ist das vierte Album der angesagtesten Band Österreichs. Diesmal macht sie es ihren Fans nicht einfach.

Bilderbuch besteht bekanntlich aus vier charmanten Hipstern und Schla-Wienern: Maurice Ernst ist der Frontmann mit angeborenem Rockstar-Habitus. Ein lässiger Poser, der die Blicke auf sich zieht, aber auch in den Arm genommen werden will; der singt, seufzt, rappt und dabei zeigt, was alles möglich ist mit der deutschen Sprache im Pop. Sein Nebenmann ist ein langhaariger Schlaks namens Michael Krammer, der sich neuerdings Mizzy Blue nennt. Kein Gitarrero seiner Generation spielt wie er und sieht dabei so fesch aus. Mehr im Hintergrund halten sich Bassist und Bandgründer Peter Horazdovsky sowie der knüppelharte Drummer Philipp Scheibl, Spitzname "Pille", die mit glücklicher Weise aus der Mode gekommenen Klamotten und Frisuren versuchen, ihren Frontleuten optisch Paroli zu bieten.

Bilderbuchs eklektische Melange aus Klassik und Moderne, Kunst und Kitsch, Dada und Gaga lädt ein in die Sphäre zwischen den Gewissheiten. Wer sich nicht einer einzigen Richtung zuordnen will oder kann, wer zweifelt, was es denn nun ist, was ihn ausmacht, der ist im Bilderbuch-Kosmos bestens aufgehoben. Denn bei der ehemaligen Klosterschülerband koexistieren Rock und R'n'B, Hedonismus und Gesellschaftskritik, Hetero- und Homosexualität, Lamborghini und Skoda. Denn: "Mama kocht für alle"!

Bilderbuch sind die Shooting-Stars der Saison. Airplay-Overkill, Titelbilder, überschwängliche Reaktionen, Internet-Promo, Presse-rummel - fiel die mediale Resonanz beim letzten Album "Schick Schock" noch recht verhalten aus, ist "Magic Life" von 0 auf 9 in die deutschen Album-Charts eingestiegen. Doch der bittersüße Erfolg hat Spuren hinterlassen, Erwartungsdruck manifestiert. Die Mittzwanziger ringen um ihre künstlerische Integrität. Der 28-jährige Maurice, der sich in österreichischer Art ganz selbstbewusst als Künstler bezeichnet, ist davon überzeugt, dass auch nur der Versuch einer Wiederholung vom vorherigen Über-Album aus Bilderbuch eine Ulkband gemacht hätte.

Bilderbuch wollten ihr Erfolgsrezept keinesfalls wiederholen und haben sich für schwer verdauliche Kost entschieden. So beginnt ihr viertes Album fragmentarisch, sperrig, mit verschleppten Melodien, Collagen, Ambitionen und Effekten. Schmeckt wie Frank Ocean mit Schnitzel-Panade. Es dauert bis Song 5, ehe der typische Bilderbuch-Flow einsetzt: "Bungalow" ist "Rock me Amadeus" reloaded. Ein nettes Geschenk zu Falcos 60. Geburtstag, ein Radio-Monster. Doch danach kommt nichts mehr, was einen sofort gefangen nimmt. "Uns geht es um eine Idee, ein Gefühl zu formulieren, und nicht darum, einen Hit nach dem anderen heraus zu hauen." Als ob das so einfach wäre. "Es fällt uns wirklich nicht so schwer, ein weiteres 'Bungalow' aus dem Ärmel zu schütteln. Wir wollten diesmal aber was zum Forschen anbieten, was man nicht nach dem ersten Hören durchschaut."

Und woher kommt seine Vorliebe für antiquierte Worte und Begriffe? "Der Reiz liegt daran, die unglamourösesten Worte wie Softdrink, Perlmutt oder Bungalow in einen Song zu verpacken, sie auf einen Sockel zu heben, von dem aus sie wieder strahlen können", sagt Maurice Ernst, der sich exaltiert gibt, aber trotz seiner wasserstoffblondierten Haare längst nicht so sonderbar daher kommt wie andere Bewohner seiner Heimat, dem 3. Wiener Bezirk. Liegt er manchmal in der Badewanne und denkt daran, wie viele Menschen im selben Moment seine Musik hören? "Durchaus. Das hätte es früher auch nicht gegeben, aber durch das Internet rezipiert der Künstler sein eigenes Werk. Und natürlich spürt man diese positive Energie, wenn man merkt, dass von gestern auf heute 30.000 Leute deinen Song auf Spotify gestreamt haben. Das ist schon krass."

Bei der Konkurrenz hat ihn nicht so viel begeistert. "In einem Jahr, in dem man selbst Musik macht, bekommt man nicht so viel mit. Natürlich hat es große Alben von Kayne West, Frank Ocean oder Bon Iver gegeben, aber ich habe mit meinen eigenen Songs so viele Gefühle durchlebt, dass es mir schwer fällt, ein fremdes Stück hervorzuheben." Geschockt war er vom Tod von Prince, eines der großen Bilderbuch-Vorbilder, dem sie mit "Superfunky-Partytime" eine eher unbeholfene Ehrbezeugung schrieben.

Generell greifen Bilderbuch musikalische Einflüsse auf und verarbeiten sie. "Eigentlich ist es doch so: Wir haben 50 Jahre Popmusik in uns und machen Geschnetzeltes daraus." Wenn Wanda die Rolling Stones und Bilderbuch die Beatles des gegenwärtigen Austropops sind, befinden sich Maurice Ernst & Co. derzeit in der "Sgt. Pepper's"-Phase. So man kann sich auf noch mindestens vier große Werke freuen.

(RP)
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