Without Youuuuuuuuuuu

Dank Mariah Carey zieht heute jede DSDS-Kandidatin die Vokale in die Länge.

Für Mariah Carey war ein "a" nie einfach ein "a". Ein "i" nicht einfach ein "i". Ein "u" kein "u". Für sie war es ein aaaaa, ein iiiiiii oder sogar ein uuuuuuuuuuuu. Melisma heißt es, wenn ein Sänger Silben in die Länge zieht und ihnen mehrere Noten widmet und nicht bloß eine. Mariah Carey hat die Technik nicht erfunden, aber sie hat sie für mehr als ein Jahrzehnt zum Standard in der Popmusik gemacht. Vor 25 Jahren hat sie damit auf ihrem Debütalbum Mariah Carey angefangen. Was die US-Amerikanerin selbstverständlich zum Anlass nimmt, um in diesen Tagen das Greatest-Hits-Album "#1 to Infinity" zu veröffentlichen.

Darauf enthalten ist auch ihre erste Single "Vision Of Love". Die erreichte Platz eins der US-Charts und wurde die Blaupause für alles, was sie und andere danach sangen: Britney Spears, Christina Aguilera, Rihanna, Beyoncé berufen sich alle auf sie, ihr Melisma und den fünf Oktaven umfassenden Gesang. In Deutschland dauerte es ein paar Jahre länger mit dem Durchbruch. Der gelang ihr 1994 mit dem Cover-Schmachtfetzen "Without You". Sie dominierte das Jahrzehnt, hatte mehr Nr.1-Hits in den USA als jeder andere Solokünstler, nur die Beatles übertreffen sie, verkaufte mehr als 200 Millionen Platten, etablierte HipHop- und R&B-Elemente im Mainstream. Und trotz einer Krise Anfang der 2000er mit Labelwechsel, Liebesaus, grenzwertigen Auftritten und Zusammenbrüchen kehrte sie immer wieder zurück. Noch jedes ihrer 14 Studioalben hat die Top Ten erreicht. Das vorerst letzte erschien im Mai 2014. Die Frau ist nun 45 oder 46. Je nachdem, welchen Quellen man glaubt.

In der Popmusik ziehen Sängerinnen die Vokale mittlerweile nicht mehr so arg in die Länge, aber jede Castingshow ist bis heute eine Verbeugung vor Mariah Carey. Schon bei der stimmlich nicht unbegabten Carey ging einem das Vokalgeziehe irgendwann auf die Nerven, bei Laien aber wird es zur Qual. 17-jährige Mädchen, die denken, sie hätten ein sehr ausdrucksvolles Organ, quieken, als gehe es um ihr Leben. Ohne Mariah Carey hätte es vielleicht nie eine Castingshow gegeben. Ohne sie wären Castingshows allerdings auch deutlich erträglicher.

(RP)
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