Köln Matarés Tiere am Kölner Dom

Köln · Der Bildhauer Ewald Mataré wurde einst beauftragt, neue Bronzetüren für die Kathedrale zu schaffen. Eine Ausstellung erzählt davon.

Die meisten laufen vorbei, ohne den Blick zu wenden. Denn die vier Bronzetüren, die das Südquerhausportal des Kölner Doms zieren, sind durch einen langen, ein paar Meter Abstand gebietenden schwarzen Metallzaun geschützt. Man könnte durch die Stäbe hindurchblicken, auch fotografieren, doch die Touristen wissen den Schatz an der Außenfront nicht zu schätzen. Der Bildhauer Ewald Mataré (1887-1965) hat die Türen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg im Auftrag der Kirche geschaffen und damit vorgeführt, wie eine Kunst christlicher Verkündigung auch in einer glaubensfernen Moderne ihren Platz behauptet.

Mataré war damals gerade wieder als Professor an die Kunstakademie Düsseldorf berufen worden, von der ihn die Nationalsozialisten 1933 nach nur sieben Monaten vertrieben hatten. In seinen Kölner Türen setzte er glatte Flächen gegen das wuchernde neogotische Figurenpanorama ringsum. Aus diesen Flächen ragen lediglich vereinzelte Symbole hervor. Der Neuanfang, den er damit nach der Hitler-Zeit setzte, war nicht nur von ihm, sondern auch von der Kirche gewollt. Sie ließ die Vorgänger-Türen aus dem 19. Jahrhundert, die den Krieg überstanden hatten, einschmelzen und stellte die solchermaßen gewonnene Bronze dem Düsseldorfer Professor für seine Neuschöpfungen zur Verfügung.

Da die beiden mittleren Türen schon 1948 zum Domjubiläum fertig sein sollten, stand Mataré unter Zeitdruck und zog kurzerhand eine Reihe von Helfern hinzu. Sein Student Joseph Beuys tat sich schon damals durch Extravaganz hervor. Für das auf der Bischofstür vorgesehene Mosaik suchte er im Schwimmbad einer kriegszerstörten Villa in Büderich, heute Stadtteil von Meerbusch, entsprechende Steinchen zusammen. Und in das Kreuz im linken Teil baute er seinen Rasierspiegel ein. "Ja warum?", fragte Beuys später sich selbst: "Ich hatte auf einmal das Bedürfnis, da müsste was rein, was Licht wirft. Also einen richtigen Spiegel, ein Objekt reingesetzt, und Mataré war damit sehr zufrieden." Haltbar war die Konstruktion nicht. Bei Reparaturarbeiten ging das Stück verloren. Jetzt spielt der Dombaumeister mit dem Gedanken, es nachzubilden und wieder einzusetzen.

Die Bischofstür und die Papsttür rechts daneben werden bestimmt durch die Wappen der damaligen Kirchenfürsten. Unter demjenigen von Papst Pius XII. zeigen sich als Symbol für Wachsamkeit und Hingabe ein Hahn und ein Pelikan, der mit eigenem Blut seine Jungen zu ernähren sucht. Die Türflügel unter dem Wappen des Kölner Erzbischofs Josef Kardinal Frings enthalten neben jenem von Beuys erweiterten Kreuz neun goldene Kugeln auf rotem Grund als Hinweis auf die Stadt Neuss, Frings' Geburtsort. Unter den Wappen beider Kirchenfürsten verkörpern sieben Heilige die sieben Gaben des Heiligen Geistes: Frömmigkeit, Verstand, Wissenschaft, Stärke, Rat, Weisheit und Gottesfurcht.

Die von 1954 stammende Pfingsttür des linken Seitenportals enthält eine Darstellung des brennenden Köln, aus deren Flammenmeer ein kleiner Dom wehrhaft und unversehrt herausragt. Die Szenen auf dem rechten Portal, der Schöpfungstür, entfalten sich unter der über allem schwebenden weißen Hand Gottes: Motive aus dem Alten und Neuen Testament.

Früher war das Südportal geöffnet wie heute das Nord- und das Westportal. Doch da immer mehr Menschen den Weg vom Bahnhof in die Stadt durch den Dom abkürzten und zudem in den 80er Jahren zunehmend Sprayer auf den Plan traten, entschloss man sich, das Terrain einzuzäunen. Seitdem stehen die Türen nur noch offen, wenn der Papst kommt, an Fronleichnam und bei Wallfahrten.

Unter dem Dom, in seiner Schatzkammer, lassen sich kostbare Stücke begutachten, die sich um Matarés Südportal ranken. Das sind nicht nur vom Künstler entworfene Messkelche, Tierfiguren und ein Abtsstab, sondern auch braune Zettel, auf denen Matarés Gehilfen dem Meister den Empfang ihres Lohns quittierten. Beuys bestätigt artig, dass er "für Mosaiksetzen" 49,70 Mark bekommen habe. Und Matarés Tochter Sonja, eine Goldschmiedin, die heute hochbetagt nach wie vor in Büderich lebt, überliefert uns ihren Stundenlohn, indem sie rechnet: "7 Stunden à 1,30 DM = 9,10 DM".

Prunkstück der kleinen, feinen Schau im Keller, die die Leiterin der Domschatzkammer, Leonie Becks, konzipiert hat, ist ein auf einer angedeuteten Kugel thronender lebensgroßer Hahn aus Bronze, der ähnlich mit Mosaiksteinen besetzt ist wie die Hähne des Südportals. Das Bruderstück dieses aus dem Marler Museum Glaskasten entliehenen Exemplars entstand als Auftragsarbeit für die Seidenweberei Schniewind in Haan, die sich den Hahn auf der Kugel als Warenzeichen erkoren hatte und noch heute besteht.

Nicht nur damit wirkte Ewald Mataré über seinen Tod hinaus, sondern auch durch seine Schüler. Beuys, Georg Meistermann und Erwin Heerich haben in Düsseldorf viel bei ihm gelernt.

(B.M.)
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