Düsseldorf Medizin-Nobelpreis für Naturarznei-Forscher

Düsseldorf · Die ausgezeichneten Wissenschaftler haben Wirkstoffe etwa zur Bekämpfung von Malaria entdeckt.

Nobelpreisträger 2016: Physik, Medizin & Co.
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Die Nobelpreisträger 2016

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Vor allem die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt profitieren von der Forschung, die in diesem Jahr mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Etwas überraschend wählte das Nobel-Komitee drei Wissenschaftler aus, die Medikamente gegen Krankheiten entwickelt haben, die nach einem Mückenstich durch Parasiten ausgelöst werden. Der US-Amerikaner William C. Campbell von der Drew-University in Madison, New York, und der Japaner Satoshi Omura von der Kitasato Universität erhielten eine Hälfte des Preises für die Entdeckung einer neuen Wirkstoffklasse, die gegen gefährliche Würmer eingesetzt wird. Die Chinesin Youyou Tu wurde für die Entwicklung von Artemisinin ausgezeichnet. Die Substanz gilt als erste Wahl bei der Behandlung von Malaria tropica. Sie reduziert die Sterblichkeit bei Erwachsenen um 20 und bei Kindern um 30 Prozent. "Von diesen Entdeckungen profitieren 3,5 Milliarden Menschen in mehr als 100 Nationen", sagte ein Sprecher in Stockholm. Das Nobelpreis-Komitee entschied sich damit für anwendungsbezogene Wissenschaft, nachdem in den vergangenen vier Jahren Grundlagenforschung geehrt worden war.

Die drei Wissenschaftler können am besten als Naturstoffforscher beschrieben werden. Sie suchen in der Natur nach Substanzen, die für die Therapie von Krankheiten geeignet erscheinen, und entwickeln daraus Arzneimittel. Campbell (85) und Youyou Tu (84) sind längst im Ruhestand, Omura arbeitet im Alter von 80 Jahren noch im Labor. Campbell und Omura beschäftigten sich mit Bakterien, die im Erdreich leben. Der Japaner isolierte in seiner Forscherzeit 470 chemische Substanzen, die die Bodenbewohner herstellen, um sich gegen ihre Umwelt zu verteidigen. Der größte Erfolg ist die Wirkstoffgruppe der Avermectine aus den 1970er Jahren, die gleich mehrere wurmartige Parasiten bekämpft. Die Substanzklasse ist in ihrer Bedeutung vergleichbar mit Antibiotika und wird jährlich mehr als 300 Millionen Mal verabreicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) startete damit eine weltweite Kampagne, um die Flussblindheit und die Elefantiasis auszurotten. Bei der einen Krankheit drohen die Betroffenen zu erblinden, bei der anderen schwellen die Gliedmaßen außergewöhnlich stark an.

Youyou Tu ist erst die achte Frau, die mit einem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wird. Erstmals geht die höchste Auszeichnung der Naturwissenschaften nach China. Youyou Tu arbeitete an der Akademie für traditionelle chinesische Medizin (TCM). Sie wertete mündliche Überlieferungen und die Erfahrungen der TCM-Ärzte mit wissenschaftlichen Methoden aus. Dabei entdeckte sie, dass eine Pflanze mit dem biologischen Namen "Artemisia annua" (einjähriger Beifuß) die Symptome der Malaria lindern konnte. Doch erste Bemühungen waren nicht erfolgreich. Dann entwickelte die Pharmazeutin ein Verfahren, um die Wirkstoffe aus der Pflanze zu isolieren. Am 4. Oktober 1971 habe sie erstmals Artemisinin in reiner Form erhalten, berichtet Youyou Tu. Das Forscherleben der Frau verlief abenteuerlich und zeugt von Hartnäckigkeit. Ihre Arbeiten erschienen lange nur auf Chinesisch. Erst 1981 wurde die internationale Forschung durch einen Vortrag bei einem UN-Malaria-Kongress in Peking auf ihre Leistung aufmerksam. In China ist die Entdeckerin des derzeit wichtigsten Malaria-Medikaments weitgehend unbekannt.

(RP)
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