München Der Streit um Hitlers "Mein Kampf"

München · Bayerns Regierung lehnt die kommentierte Neuausgabe der Hetzschrift ab.

 Seit 1945 und bis heute ist "Mein Kampf" in vielen Ländern dieser Welt erneut publiziert worden.

Seit 1945 und bis heute ist "Mein Kampf" in vielen Ländern dieser Welt erneut publiziert worden.

Foto: afp, CARL DE SOUZA

Er ist wieder da! So erfolgreich die Hitler-Satire von Timur Vermes seit vielen Monaten auch ist, so ganz stimmt der Titel nicht. Weil Adolf Hitler im Grunde nie wirklich verschwunden war — nicht aus unseren Debatten und auch nicht aus unseren Büchern. Bis auf seine eigene Schrift, bis auf "Mein Kampf" also, jene antisemitische Weltanschauungsschrift, die Hitler zwischen 1924 und 1926 verfasste und mit der er seine Ideologie unters Volk zu bringen hoffte.

Seit 1945 und bis heute ist "Mein Kampf" in vielen Ländern dieser Welt erneut publiziert worden, nur in Deutschland nicht. Zwar ist bei uns weder der Besitz des Buches noch seine antiquarische Verbreitung strafbar. Doch verlegt werden darf die Nazi-Schrift bislang nicht. Das hat der Freistaat Bayern so verfügt, der im Besitz der Urheberrechte ist, da der Diktator bis zu seinem Tod 1945 am Prinzregentenplatz 16 in München gemeldet war. Doch Urheberrechte währen nicht ewig — genauer: nur 70 Jahre nach dem Ableben des Verfassers. Ab 1. Januar 2016 könnte also jeder deutsche Verlag "Mein Kampf" drucken und vertreiben — theoretisch. Allerdings gibt es die Rechtsauffassung, dass auch ab diesem Zeitpunkt die Verbreitung der Hitler-Kampfschrift wegen Volksverhetzung unter Strafe gestellt werden könnte.

Doch im Auftrag des Landtags ist Bayern zwischenzeitlich selbst tätig geworden und hat das "Institut für Zeitgeschichte" (IfZ) mit der Erarbeitung einer wissenschaftlich kommentierten Neuausgabe beauftragt. Rund 500 000 Euro sollen in dieses Projekt schon geflossen sein. Gestern nun hat die Landesregierung in Person von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) davon wieder Abstand genommen. Bayern, so heißt es, fürchtet um seinen Ruf. Und nicht ohne Einfluss sollen dafür die Interventionen von KZ-Überlebenden und des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres gewesen sein.

Das letzte Wort ist damit natürlich nicht gesprochen. Denn das IfZ dürfte eine Veröffentlichung des kommentierten "Kampfes" in Eigenregie betreiben. Zumal die Publikation einer wissenschaftlich sorgsam aufbereiteten und kommentierten Schrift eines Nazis kein Einzelfall ist. Brisant war schon vor Jahren die Veröffentlichung der Erinnerungen von Rudolf Höss, dem Kommandanten des Konzentrationslagers von Auschwitz. Und erst kürzlich wurde der "Taschenkalender" vom Chef der SS, Heinrich Himmler, publiziert. Auch dies mit einer kommentierten Edition.

Verleger wollen immer wieder Auszüge veröffentlichen

Dennoch hat "Mein Kampf" einen anderen Stellenwert. Das Buch ist die programmatische Schrift nationalsozialistischen Handelns. Die vielen Debatten umgeben aber das Buch scheinbar mit einem Geheimnis, das die Aufklärung über Massenmord, Rassismus und Vernichtungskriege verdunkeln könnte. Zuletzt hatte im vergangenen Jahr der britische Verleger Peter McGee versucht, kommentierte Auszüge aus "Mein Kampf" an deutsche Kioske zu bringen. Weil auch das verboten wurde, erschienen die übersichtlichen Heftchen in zensierter Form: Die Quellentexte waren unscharf und somit nicht lesbar. Solche Ausgaben haben allenfalls das Zeug dazu, dem Hitler-Buch etwas Legendenhaftes anzudichten.

Statt einer kommentierten Neuausgabe wird es — vor allem ab 2016 — wohl immer wieder Versuche geben, Hitlers Schrift neu zu publizieren. Dann aber auch von zweifelhaften Verlagen in erheblich zweifelhaften Absichten.

(RP)
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