Krefeld Meister des Abstrakten in Krefeld

Krefeld · Imi Knoebel und David Reed stellen in den Villen Esters und Lange aus.

Imi Knoebel gehört nicht zu den Künstlern, die sich ständig neu erfinden. Im Gegenteil: Er sucht die eigenen Wurzeln in seinem Werk. "Ich wollte wissen, wo mein Anfang ist", sagt der 74-Jährige. Parallel zur vielbeachteten Retrospektive im Kunstmuseum Wolfsburg hat er für Krefeld eine künstlerische Kernschmelze betrieben, seinen Werkkosmos auf die Urzelle reduziert. "Kernstücke" heißt die Schau, die er im Museum Haus Esters zeigt. Beeinflusst von der Architektur der von Ludwig Mies van der Rohe konzipierten Stadtvilla, hat er Werke von vor 50 Jahren noch einmal neu geschaffen, Ideen von damals neu gedacht.

Auch David Reed, ebenfalls ein Meister des Abstrakten und in diesem Sinne das amerikanische Pendant zu Knoebel, hat Elemente aus seinem Werk aufgegriffen und damit die benachbarte Mies-Villa Haus Lange neu interpretiert. Beide Künstler präsentieren sich reizvoll unterschiedlich - und erreichen einen erstaunlichen Gleichklang. Für Knoebel-Fans und Reed-Entdecker ist dieses Doppel ein Erlebnis.

Der Strich ist Anfang und Ende in Knoebels Kunst: Die Strukturierung der Fläche mittels Linien war die Aufgabe des Beuys-Schülers im Legendären "Raum 19" - dem Unterrichtsraum an der Düsseldorfer Kunstakademie. Heute setzt Knoebel seine Senkrechte als Solitär auf eine Wand. Eine unumstößliche Aussage. Im Nebenraum folgt die Waagerechte. Im Kopf des Betrachters kommt es zur logischen Zusammenführung, zum Winkel. Auch den zeigt Knoebel, füllt die Fläche zwischen den Achsen bei einer weiteren Arbeit mit leuchtendem Orangerot: Es ist die Entstehung des Ortes. In 21 Arbeiten lässt Knoebel die Museumsbesucher die wichtigen Etappen seines Künstlerlebens nachvollziehen. Das geht nicht ohne die Hartfaserplatte: Das unattraktive Material von Billigmöbeln hat Knoebel zur Kunst erklärt, eine Museumswand mit zwölf 1,30 Meter großen Platten verkleidet. "Vision Ordinaire" nennt er die Reihung, die wie ein Bild nach Aufmerksamkeit verlangt. Irritierend und provokant in aller Schlichtheit ist sein Werk.

Auch David Reeds Arbeit muss der Museumsbesucher sich erlaufen: Der 68-Jährige zeigt unter dem Titel "The Mirror and The Pool" grandioses Kopfkino: Wie ein Fries zieht sich ein Malerei-Band durch alle Räume der Villa. In Augenhöhe zerteilt es das Architekturprinzip des Bauhauses und leitet von einem düsteren Farbbeginn zu wasserblauer Leichtigkeit. Mit Schablonen hat Reed abstrakte Schleifen- und Wischformen aus den 70er Jahren aufgenommen und in die neuen Farbwucherungen eingepasst. Bis in die 1960er hatte der New Yorker sich einer vom Expressionismus beeinflussten abstrakten Landschaftsmalerei verschrieben. Diese Wurzeln kommen hier an die Farboberfläche. Die Interferenzfarbe verändert sich mit jedem Schritt von zartem Blau über intensives Azur bis ins satte Violett. Der Blick beginnt zu schwimmen. "Das ist es, was ich bei der Arbeit gefühlt habe", sagt Reed, dem die Bauhaus-Ikone Mies van der Rohe mächtig Respekt eingeflößt hat: "Ich hatte schwere Alpträume, wie ich mit diesen Räumen arbeiten sollte", sagt er. Ertrinken spielte darin eine wesentliche Rolle - so fand Reed zum hellen Blau. Virtuos spielt er mit der Architektur, setzt seine abstrakte Farbreise über Mauervorsprünge fort, spiegelt sie auf rückwärtigen Wänden, lässt sie in Ecken verschwinden.

Krefelder Museen Haus Esters, Haus Lange, Wilhelmshofallee 91-97. Zu sehen bis 23. August, dienstags bis sonntags, 11 bis 17 Uhr. Eintritt: sechs Euro (beide Häuser). Es gibt eine Edition zu beiden Künstlern, je 1200 Euro.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort