Washington Millionenpreis für Jürgen Habermas

Washington · Der Philosoph bekam den mit 1,5 Millionen Dollar dotierten Kluge-Preis.

Man hat Jürgen Habermas einmal eine "Weltmacht" genannt; darüber kann der 86-jährige Philosoph nur müde lächeln. Allenfalls attestiert er Intellektuellen einen diffusen Einfluss, der vor allem von der Überzeugungskraft ihrer Worte abhänge.

Gestern musste Habermas einen neuerlichen Superlativ über sich ergehen lassen: Er sei "der wichtigste Philosoph und Theoretiker unserer jüngeren Generation", erklärte Jurorin Jane McAuliffe und überreichte ihm sowie dem kanadischen Denker Charles Taylor den Preis der John W. Kluge-Stiftung. Der ist mit insgesamt 1,5 Millionen Dollar (rund 1,3 Millionen Euro) dotiert. Der gebürtige Düsseldorfer ist der erste Deutsche, der diesen amerikanischen Preis bekommen hat.

Über den Einfluss von Habermas wird auch darum immer wieder diskutiert, weil der Philosoph sich in vielen Debatten mit Beiträgen in Tageszeitungen einschaltet. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist er schon deshalb präsenter als viele andere Denker.

Das Engagement gehört zu seinem Selbstverständnis als Intellektueller. Zwar hielten Philosophen nicht mehr den Schlüssel zum Sinn des Lebens in ihren Händen und seien nicht im Besitz eines Weltanschauungswissens; auch seien sie keine Gurus, so Habermas. Doch weil sie zwischen den Expertenkulturen und der Lebenswelt hin- und hergingen, können Denker nach seinen Worten durchaus "Substantielles zum Selbstverständnis moderner Gesellschaften beitragen".

Jürgen Habermas hat nie den Anspruch gehegt, letztgültige Antworten zu liefern. Er versteht sich als genauer Beobachter seiner Zeit und ihrer Symptome - beispielsweise der Gentechnik. Eingriffe in die genetische Ausstattung des Menschen hält er für Verletzungen der Menschenwürde. Vielmehr müsse die Unantastbarkeit der Person gewahrt bleiben; sie ist für ihn die Voraussetzung zur Identitätsbildung. Jeder Eingriff dieser Art mache demnach den Menschen zu einem Ding, zu etwas Manipuliertem und Fabriziertem.

Trotz seines Bestrebens, auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, ist Habermas' Denken nicht ohne weiteres zugänglich. Einst beschwerten sich sogar seine Studenten und wünschten, der Professor möge in den Vorlesungen doch unkomplizierter sprechen. Habermas versprach Besserung, worauf ein anderer Teil der Studenten buhte. Und ihnen versicherte er, dass er mit seinem Bemühen höchstwahrscheinlich scheitern werde.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort