„Cash“ Mit Richard Price ins Unterirdische von New York

Düsseldorf · Allenfalls ein Analphabet taucht nicht schon mit der ersten Seite furchterregend tief ins Viertel der Lower East Side ein. Weil Richard Price - dem vielfach gekrönten Meister der harten Dialoge und dem unbarmherzigsten Chronisten mieser Alltagsgrausamkeit - uns alle mitnimmt auf seiner rasanten Fahrt ins Unterirdische.

 Richard Price: "Cash", Übersetzt von Miriam Mandelkow, Fischer Tb, 521 S., 10,99 Euro

Richard Price: "Cash", Übersetzt von Miriam Mandelkow, Fischer Tb, 521 S., 10,99 Euro

Foto: verlag

Und so sitzen wir in einem Pseudotaxi mit den vier Cops, die auf den Straßen New Yorks beim "Nachtfischen" unterwegs sind und schon seit 40 Minuten keinen "Biss" mehr gemacht haben. Heillose Nacht.

Aber allein die Beschreibung dieser Fahrt durch Manhattan reicht aus, den Staub der Straßen zu riechen, den Lärm des erregten Lebens zu hören, das Gewirr der Menschen vor Augen und schließlich die Gerüche in der Nase zu haben, die aus dem Falafelladen, der Muffinboutique und der Crèperie kommen.

Natürlich ist das beinharter Realismus. Doch bei Richard Price ist es eben immer noch ein bisschen mehr, ein bisschen böser und hoffnungsloser. In Wahrheit ist die Streife eine Odyssee, und die Leute, die sie treffen, vernehmen, verdächtigen werden, eine Ansammlung der Gestrandeten oder bereits Abgesoffenen. Cash ist einer von ihnen. Cash, der Barangestellte und verkappte Schriftsteller. Cash, der plötzlich Hauptzeuge eines Mordes wird. Cash schließlich, der sich in seinen Aussagen zu verheddern beginnt und der jetzt wirklich in einer scheußlichen Lage steckt.

Über 500 Seiten gibt Richard Price, der selbst in der Bronx aufgewachsen ist, für nur einen einzigen Tag aus. Ein Tag aber, der vollständig New York zu erzählen und zu erklären scheint. Und das alles vor allem in Dialogen. Price ist ein Meister darin und schon lange kein Geheimtipp mehr. Als Drehbuchautor der TV-Serie "The Wire" ist er berühmt und mit zwei Oscar-Nominierungen legendär geworden. "Cash" ist eine so hochdosierte literarische Droge, dass selbst Analphabeten vor ihr nicht gefeit zu sein scheinen.

(los)
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