Prag Mozart komponierte Kantate mit seinem Erzfeind Salieri

Prag · Mozart und Salieri, diese beiden, konnten einander wohl doch gut leiden. Diese Vermutung steht zwar diametral zum finsteren Klima in Milos Formans Film "Amadeus", der Salieri als rachsüchtigen Neider zu erkennen gibt. Die Wirklichkeit damals in Wien dürfte anders ausgesehen haben. Wertschätzung zwischen den beiden weithin anerkannten Meistern war das Mindeste. Vielleicht waren sie sogar freundschaftlich-kollegial verbunden.

Es könnte nämlich sein, dass sie aus gegebenem Anlass beim Komponieren gemeinsame Sache gemacht haben. Der Musikwissenschaftler Timo Jouko Herrmann hat im Prager Nationalmuseum ein kleines Werk aufgespürt, das Mozartianer seit langem auf der Vermisstenliste haben und das zweifelsfrei beweist, dass Mozart und Salieri im Geiste verbunden waren. Herrmann fand in Prag Libretto und Notentext jener ominösen Kantate, die im Köchelverzeichnis unter der Nummer 477a rangiert und den Titel "Per la ricuperata salute di Ofelia" trägt. Sie entstand 1785, den Text schrieb Mozarts berühmter Librettist Lorenzo da Ponte. Das Werk wurde damals zur Wiedergenesung der italienisch-englischen Sängerin Nancy Storace geschrieben.

Der Titel des Werkes spielt auf die Rolle der Ofelia in Salieris Oper "La grotta di Trofonio" an, in welcher die Storace 1785 nach ihrer Genesung wahre Triumphe feierte. Angeblich ist kein Exemplar des Werkes erhalten geblieben, obschon es 1785 im Verlag Artaria im Druck erschien. Deshalb hatten viele Fachleute Zweifel an dem Gemeinschaftswerk gehegt.

Die Fassung, die Herrmann gefunden hat, ist allerdings nicht mit jenem Astaria-Druck identisch, sondern nur eine Gebrauchsanordnung nach Art eines Klavierauszugs - für Musiker, die zu improvisieren gewohnt waren. Ob andere Instrumente als das Klavier beteiligt waren, ist unklar. Um das Opus aufzuführen, müsste ein Instrumentator das Fehlende ergänzen.

Sicher ist, dass Mozart und Salieri, diese beiden, mehr als nur guten Kontakt hatten. Sie haben gemeinsam über Noten gehockt - und es waren ganz bestimmt nicht die von Mozarts "Requiem".

(w.g.)
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