Trauer Museums-Revolutionär Hans Hollein ist tot

Mönchengladbach · Er schuf stilbildende Gebäude wie das Museum Abteiberg in Mönchengladbach. Mit 80 Jahren ist der Pritzker-Preisträger gestorben.

 Mit Hans Hollein starb einer der wichtigsten Architekten der Gegenwart.

Mit Hans Hollein starb einer der wichtigsten Architekten der Gegenwart.

Foto: afp, pbe-iw

Er hat Licht umbaut. Fast möchte man sagen, er habe es geschaffen durch seine raffinierte Art, Helligkeit von außen in seine Gebäude zu lenken, vor allem in seine Museen, in denen er eine besondere Art der Wachheit schuf für die Werke darin.

So hat der Österreicher Hans Hollein die Architektur mit der Kunst versöhnt. Seine Museumsgebäude sind ein Erlebnis, man sollte sie um ihrer selbst willen erkunden, aber sie drängen sich nicht in den Vordergrund, es gibt in ihnen keine Mätzchen, keine Manierismen, keine Ablenkung. Seine Architektur besticht, weil jeder Winkel, jede Rundung notwendig erscheinen. Auch wenn sich Hollein von organischen Formen inspirieren ließ, von Wellen oder von Wolken, so hat er die Natur doch so weit abstrahiert, dass sie das Willkürliche verliert. Das macht den Architekten zum Künstler.

In Mönchengladbach am Abteiberg kann man es erleben. Dort hat der 1934 in Wien geborene Hollein ein Museum an den Hang gebaut, das den Besucher in sein Inneres lockt, indem es ihm immer wieder überraschende Wege, Treppenfluchten und Sichtachsen anbietet und ihn dann in lichte Räume führt, in denen moderne Kunst wirken kann.

 Zu Holleins bekanntesten Bauwerken in Deutschland zählt das Museum Abteiberg in Mönchengladbach mit seinen begehbaren Dächern und dem versteckten Eingang.

Zu Holleins bekanntesten Bauwerken in Deutschland zählt das Museum Abteiberg in Mönchengladbach mit seinen begehbaren Dächern und dem versteckten Eingang.

Foto: Detlef ilgner

1982 wurde das Haus eröffnet, es brachte Hollein den Nobelpreis der Architektur, den Pritzker-Preis, ein und danach galten neue Maßstäbe im Museumsbau. Danach waren Museen Zweckbauten mit eigenem Kunstanspruch. "Es hätte Bilbao nicht ohne Mönchengladbach gegeben", hat Frank O. Gehry, ein anderer großer Eigenwilliger der modernen Architektur, einmal gesagt.

Hollein hatte Gespür für die Werke seiner Zeitgenossen. Er war selbst ein Moderner, der Brüche riskierte, Kontraste liebte, seine Bauten selbstbewusst in historische Zeilen setzte, auf dass sich der Wiener Stephansdom in seinen Fassadenwölbungen spiegele. Hollein beteiligte sich auch an der Verschränkung von Diskurs und künstlerischem Handeln. 1967 bekam er auf Vermittlung von Joseph Beuys eine Professur für Architektur an der Düsseldorfer Kunstakademie und schrieb den vielbeachteten Aufsatz "Alles ist Architektur". Und das war nicht nur ein Slogan im Beuys-Duktus; Hollein hat seine Fähigkeiten als Raumerfinder und Gestalter auf alle möglichen Dinge angewandt. Er hat Möbel, Türklinken, einen Konzertflügel entworfen und Bühnenbilder, etwa für Schnitzlers "Komödie der Verführung" am Wiener Burgtheater.

Hollein stammte aus einer Bergmannsfamilie. Vielleicht wirken seine Bauten darum immer auch ein wenig wie moderne Höhlen, wenn sie auch ins Helle führen, in klar strukturierte lichte Welten mit eleganten Treppenverläufen, filigranen Säulen, atemberaubenden Durchblicken. Holleins Gebäude holen den Besucher ab aus der Alltagswirklichkeit, stellen ihn in Räume, in denen er sich konzentrieren kann, in denen er abgeschirmt ist vom nervösen Draußen. Doch kehrt der Besucher dorthin zurück, kann er teilhaben am Spiel, das Hollein mit der Umgebung trieb. In Mönchengladbach sind es Dachterrassen, die er in den Abteiberg bauen ließ. Man kann das Museum darüber von außen erkunden, es eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven, das Haus wird außen selbst zum Kunstwerk, eine gewaltige Skulptur, harmonisch in die Natur gefügt. Zugleich steht das Museum im klaren Kontrast zur über 1000 Jahre alten Münsterkirche gleich daneben. Doch es ist kein aggressiver Kontrast, keine Kampfansage, es ist das postmoderne Nebeneinander der Zeiten.

Dabei hat Hollein Konflikte nie gescheut. Schon sein erster Auftritt als Architekt in Wien war kompromisslos. Er war ein paar Jahre durch die USA gereist, war den avantgardistischen Architekten dort begegnet. Als er heimkehrte nach Wien, gestaltete er einen kleinen Kerzenladen, kleidete ihn mit Spiegeln aus und machte ihn zum Stadtgespräch. Jahrzehnte später sollte ihm das mit dem "Haas-Haus" am Stephansplatz wieder gelingen. Das Kaufhaus, 1990 fertiggestellt, verweigert jedes verschämte Unsichtbarmachen. Der Konsumtempel bietet der Kirche die Stirn und holt deren Abbild auf die eigene blanke Fassade. Das sorgte für Aufruhr bei den Wienern. Der Stararchitekt der Stadt hat solche Auseinandersetzungen nie gescheut. Für ihn waren sie Zeichen der Vitalität seiner Bauten - und der Orte, an die er sie stellte.

Im Alter von 80 Jahren ist Hans Hollein jetzt in Wien nach längerer schwerer Krankheit gestorben. Er hat immer wieder Fassaden gebaut, in denen sich Wolken spiegeln. Der britische Architekt Terence Riley hat das die "architektonische Variation des Ikarus-Traums" genannt. Hollein hat diesen Traum in Stein verwandelt und so ein Stück Himmel auf die Erde geholt - mit Bauten, die bleiben.

(csi)
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