Billy Joel wird 65 Das labile Genie

New York · Im Rentenalter angekommen: Der großartige amerikanische Musiker Billy Joel wird heute 65 Jahre alt. Eine Würdigung für den "Piano Man".

Billy Joel in Hamburg gefeiert
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Foto: ddp

Der Madison Square Garden im Herzen New Yorks ist ein Art Mekka der Popmusik. Wer hier auftreten darf, gehört zu den Größten seiner Branche. Die meisten Musiker sind schon dankbar, wenn sie ein einziges Mal diese heilige Halle betreten dürfen. Billy Joel, der am 9. Mai 65 Jahre alt wird, macht das jeden Monat.

Anfang des Jahres gab er sein Konzert-Abo bekannt, innerhalb kürzester Zeit waren die ersten vier Konzerte ausverkauft. Alle vier Wochen 20.000 Zuschauer in derselben Halle zu begeistern, zeugt von einer besonderen Verbindung zwischen Künstler, Fans und Stadt. Billy Joel ist so sehr New York wie die Freiheitsstatue, der Times Square und die gelben Taxis. Am 9. Mai 1949 kam er in Brooklyn als Sohn einer englischen Mutter und eines deutschstämmigen Vaters zur Welt und wuchs in Long Island auf.

Schon früh begann er, sich für klassische Musik zu interessieren, er lernte Klavier und schrieb bald seine ersten Songs. Der schmächtige Junge mit den großen Augen und der runden Nase fühlte sich als Außenseiter, die schönen Mädchen schienen ebenso weit weg wie die Welt der reichen Anzugträger in Manhattan oder in den Villen auf den Hügeln Long Islands. Heute wohnt er genau dort und erinnert sich: "Als kleiner Junge habe ich morgens immer den Austernfischern geholfen, dann linste ich vom Boot her hier hoch und dachte mir: Was mag dort oben wohl für ein reiches Arschloch wohnen? Jetzt bin ich selber dieses reiche Arschloch."

Der authentische "Piano Man"

Doch bis dahin war es langer Weg, auch deshalb, weil Joel nicht sonderlich gut darin war, das Geld, das er verdiente, auch zu behalten. Nachdem er als Teenager in einigen Rockbands gespielt hatte, verdingte er sich zunächst als Studiomusiker für renommierte Künstler, bis er schließlich 1971 sein erstes Album "Cold Spring Harbour" veröffentlichte. Die Platte floppte, und Joel zog sich frustriert als Klavierspieler in Bars zurück. Das Label hatte ihm einen Knebelvertrag aufgeschwatzt, und seine neue Plattenfirma Columbia Records hatte einige Mühe damit, das junge Talent freizukaufen.

Die Manager aber glaubten an ihn, und sie sollten nicht enttäuscht werden. Zwei Jahre nach seinem Debüt erschien "Piano Man" und etablierte ihn als Komponisten, Pianisten und Popstar. Das Titelstück ist heute nationales amerikanisches Kulturgut, jedes Kind kann es mitsingen. Wenn er es live spielt, gerät das Publikum in Ekstase, es ist ein Erweckungserlebnis des Pop. In dem Song verarbeitet Joel seine Zeit als Bar-Pianist, es ist eine Ballade über Menschen mit geplatzten Träume, die etwas Großes erreichen wollten und stattdessen den nächsten Drink bestellen.

Die Hymne über Verlierer lebt vom uramerikanischen "Lass dich nicht unterkriegen"-Mythos, und Joel wird auch deswegen so geliebt, weil er dafür das beste Beispiel liefert. Die beiden Alben nach "Piano Man" kamen weniger gut an. Nach heutigen Maßstäben, sagt Joel selbst, hätte ihn die Plattenfirma längst vor die Tür setzen müssen. Doch sie tat es nicht, und so erschien 1977 das Werk "The Stranger", das unter anderem die gefeierte Hit-Single "Just The Way You Are" enthielt. Das Lied bekam den Grammy in der Kategorie "Song des Jahres".

Täglich eine Flasche Wodka

Von nun an lief es prächtig. Hits wie "Honesty", "Uptown Girl", "We Didn't Start The Fire", "Leningrad", "So It Goes" und "River Of Dreams" folgten. Das schon 1976 erschienene "New York State Of Mind", eine Hommage an seine Heimatstadt, entwickelte sich ebenfalls zum Kultsong, obwohl er nie als Single veröffentlicht wurde. Was im Madison Square Garden abgeht, wenn er das Lied singt, kann man sich ungefähr vorstellen.

Doch abseits des beruflichen Erfolgs lief es weniger glatt. Joel ist inzwischen drei Mal geschieden, und er hatte immer wieder mit Alkoholproblemen zu kämpfen. Eine Zeitlang kippte er täglich eine Flasche Wodka und mehr, an ausgedehnte Touren war nicht mehr zu denken. Sein Freund und Kollege Elton John, mit dem er mehrfach gemeinsame Shows unter dem Titel "Face to Face" spielte, riet ihm sogar öffentlich zum Entzug.

Joel verlor durch seine privaten Eskapaden viel Geld. Es dauerte, bis er zu dem reichen, vom Suff (halbwegs) genesenen "Arschloch" wurde, das von seinem Anwesen in Long Island auf den Atlantik blickt. Sein Engagement im Madison Square Garden dürfte ihm inzwischen noch einige weitere Millionen eingebracht haben. Und das, obwohl er seit 1993 keine einzige Single mehr veröffentlicht hat.

Heute schreibt er klassische Instrumentalstücke. "Ich habe ja weiter Konzerte gegeben, nur meine Lust zu schreiben war etwas abgeflaut. Der Rock'n'Roll und ich, wir sind wie ein altes verheiratetes Paar. Wir schlafen zwar noch zusammen, aber der Sex ist so na ja", sagte er bei einer kurzen Deutschland-Tour 2006 in einem Interview.

Den Fans in New York reicht es, gemeinsam in Nostalgie zu schwelgen.

(RP)
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