Jury zeichnet Bob Dylan aus Nobelpreis für den "Shakespeare seiner Generation"

Düsseldorf · Typisch an dieser Wahl des neuen Literaturnobelpreisträgers ist eigentlich nur das Alter: Denn mit 75 Jahren passt Bob Dylan ganz gut in den Kreis der hochbetagten Dichterinnen und Dichter, die in der Regel die Zustimmung des Stockholmer Komitees finden.

 Überraschende Wahl: Bob Dylan (Archivbild) bekommt den Literaturnobelpreis.

Überraschende Wahl: Bob Dylan (Archivbild) bekommt den Literaturnobelpreis.

Foto: dpa, jl mb

Ansonsten ist alles anders, ach was: ein bisschen anarchisch, ein bisschen skurril, irre und verrückt. Bob Dylan also, der US-amerikanische Folk- und Rocksänger ("Mr. Tambourine Man", "The Time They Are a-Changin", "Like a Rolling Stone", "Blowin in the wind"), dessen ganz große musikalische Zeit zwar auch schon ein paar Jährchen zurückliegt, dessen Liedtexte aber — und für diese wurde er ausschließlich ausgezeichnet — weiter Bestand haben. Und es war die New York Times, die den Sänger einst den "Shakespeare seiner Generation" nannte. Seit vielen Jahren tauchte er unter den Geheimfavoriten immer wieder auf; ernsthaft geglaubt hat daran aber niemand.

Es gibt viele Titel für den Mann, der als Robert Allen Zimmermann am 24. Mai 1941 in Duluth (Minnesota) geboren wurde. Aber welche man auch wählte - vom Propheten der Erneuerung bis hin zum Religionsstifter - alle umkreisten nur die Unbeschreiblichkeit eines Musikers, der im Juli 1965 als Ikone des Folk Ungeheuerliches wagte: Beim Newport Folk Festival stöpselte er seine Gitarre ein und wurde fortan als Gründer des Folk-Rocks bestaunt.

Unter dem Titel "Lyrics" sind alle seine Lieder aus den Jahren 1962 bis 2001 auch in deutscher Übersetzung erschienen — eine Art Gesamtwerk also. Das Übertragen ins Deutsche bereitet vielen Übersetzern bis heute Probleme. Was sagt man nur zu Wortneuschöpfung wie "a wild cathedraled evening"? Und wie ist es im Lied "Mr. Tambourine Man" mit diesem geheimnisvollen "jingle jangle morning", der mal "Tingeltangel-Morgen", mal "Kling-Klang-Morgen" genannt wird, als eine Art Tagesanbruch, der vom hellen Klang des Tamburins gestaltet wird?

Man kann seine Liedtexte durchaus als emphatische Poesie begreifen, die im Kontrast steht zur heutigen Akademisierung unserer Lyrik. Bob Dylans Gedichte können im Wesentlichen nicht nur verstanden, sondern auch in klassischer Weise auch gesungen werden.

Von Homer bis Villon ist es in der Literaturgeschichte nicht anders gewesen. Na ja, da greift man jetzt vielleicht dann doch etwas hoch. Dennoch: enorm stimulierend ist diese Wahl schon. Man sollte jetzt ruhig ein bisschen darüber nachdenken. Ob die hohe Kür von Dylans Versen jetzt richtig oder eine Vorsehung ist, entscheiden ohnehin nicht die Juroren und die Kritiker. Sondern allein die Leser.

(los)
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