Musiker feiert 70. Geburtstag Der ewige Bob Dylan

Düsseldorf (RP). Bob Dylan wurde am 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman in Minnesota geboren. 20 Jahre später ging er nach New York und schrieb ewig gültige Songs wie "Blowin' In The Wind" und "Like A Rolling Stone". Inzwischen ist der größte lebende Rockmusiker sein eigener Mythos. Und wenn einer fragte, warum der Rockmusiker Dylan so wichtig ist, dass man ihn zu seinem 70. Geburtstag feiern muss, dann würde man nicht mit den frühen Erfolgen beginnen.

Bob Dylan feiert 70. Geburtstag
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Obwohl Dylan zwischen 1962 und '66 sechs Alben veröffentlichte, die für ein Leben reichen. "Bringing It All Back Home", "Highway '61 Revisited" und "Blonde On Blonde" — die erste Doppel-LP der Musikgeschichte — heißen die großartigsten. Wer Dylan nicht kennt und zum ersten Mal die Stücke "Visions Of Johanna" und "Sad Eyed Lady Of The Lowlands" hört, wird sagen: Herzlichen Glückwunsch.

Dylan ist am 24. Januar 1961 nach New York gekommen, in seiner Heimatstadt Hibbing ließ er seinen bürgerlichen Namen Robert Allen Zimmerman zurück, den neuen verstand er als Hommage an den Dichter Dylan Thomas. Er betrat die Stadt als Kunstfigur, zweite Geburt sozusagen. Er hatte Hunderte Folksongs und Traditionals im Kopf, las Steinbeck, Brecht, Rimbaud und die Bibel, und er verehrte Woody Guthrie.

Unverschämt und arrogant

Im Greenwich Village mochten sie den Typen mit dem Engelsgesicht, der sagte, er sei ein Findelkind, auf Züge gesprungen und über Land gefahren, obwohl er brav in Minnesota studiert hatte. Er redete ständig über das Amerika von früher, er sang nicht, sondern raspelte seine Texte zur Musik. Und wenn er wie in "A Hard Rain's a-Gonna Fall" auf die Kubakrise anspielte, tat er das mit Vokabeln aus dem Johannes-Evangelium. Da wollte einer älter sein, als er war.

Dylan war unverschämt, arrogant und meistens high. Er kam schnell zu Geld, die Worte flossen aus ihm heraus, und er verkaufte sie massenhaft an Musikverlage: "Blowin' In The Wind" stand in der Version von Peter, Paul & Mary hoch in den Charts, bevor Dylan das Lied selbst einsingen konnte. Den "Picasso of Song" nannte ihn Leonard Cohen.

Um die Größe dieses Künstlers zu beschreiben, würde man lieber mit dem Motorradunfall beginnen. 29. Juli 1966 in der Gegend von Woodstock im Staat New York. Öllache, Dylan auf einer Triumph 500, weggerutscht. Schlimm? Die Medien berichteten über Koma, Verkrüppelung und ein entstelltes Gesicht. Die Plattenfirma brachte vorsorglich ein Best-of-Album heraus. In Wirklichkeit waren ein paar Knochen gebrochen, aber Dylan nutzte den Vorfall, um sich zurückzuziehen.

Es war alles ein bisschen schnell gegangen. Beim Festival in Newport hatten sie ihn als Verräter beschimpft, weil er die elektrische Gitarre spielte und dem Folk das Rocken beibrachte. Sie begriffen nicht, dass er weiter wollte und nicht wusste, wohin. Bei einer Preisverleihung vor Bürgerrechtsaktivisten hatte er Lee Harvey Oswald gelobt, den Mörder Kennedys. Und, noch schlimmer, er fand keine Wörter und Melodien mehr.

Eine Pause von sieben Jahren

Nun zeugte er Kinder mit Sara Lownds, denen er Namen aus dem Alten Testament gab — Jesse, Anna, Jakob und Samuel — und spielte mit The Band in einem pink gestrichenen Haus einfache, traditionelle Lieder — eine Auswahl wurde später unter dem Titel "Basement Tapes" veröffentlicht. Sieben Jahre trat er nicht auf, der Untergangsprediger brachte eine Platte mit bukolisch anmutenden Liedern heraus: "John Wesley Harding". Darauf ist auch "All Along The Watchtower", das Jimi Hendrix zum Hit machte.

Man würde mit dieser Zeit beginnen, in der er sich tiefer in die Wildnis schlug, in eine Hütte nach Minnesota, weil Dylan fortan seinen Vers "There's no success like failure" lebte. Das Motto seiner Biografie. Dylan erhob das Scheitern zum Stilprinzip, er erlaubte sich fortan, ständig neu zu beginnen.

Er veröffentlichte 1975 und '76 zwei Meisterwerke, "Blood On The Tracks" und "Desire". Das war keine Popmusik mehr, zumindest nicht, wie man sie bisher kannte. Dylan hob in seinen Texten, die er nun mit fast zärtlicher Stimme sang, die Zeitdimensionen auf. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft flossen zusammen, er machte den Pop erwachsen, gab ihm Verstand. Wichtig war der Sänger, nicht der Song.

Alles wurde deutlich in jener Zeit. Das Prinzip Dylan. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Kunst und des Künstlers werden erst durch seine Widersprüche möglich. Dylan kann eine zeitgeschichtliche Stimmung zum Ausdruck bringen, aber er bleibt stets distanzierter Beobachter der sündhaften Welt. Ständige Beweglichkeit wurde zu Dylans Lebensform, er suchte nach der Reinheit, dem verlorenen Ursprünglichen und scheute dabei vor nichts zurück.

30 Jahre zwischen zwei Hits

1979 begann er eine Trilogie von Gospel-LPs: ambitionierte Musik, aber fanatische und irre Texte. Die Platte danach hieß "Infidels" — Ungläubige. Er suchte, tastete, soff, fiel aus der Zeit und fand zurück, aber das dauerte. Er ließ sich von Bowie helfen, von Grateful Dead und Santana, er irrte im Kostüm des Südstaaten-Dandys durch die 80er, erst 1989 gelang ihm mit "Oh Mercy" wieder eine gute Platte.

Dieses Jahr würde man als Beginn des Spätwerks von Dylan bezeichnen, als Anfang seiner künstlerischen Vollendung. Er begann die so genannte "Neverending Tour" — bis heute mehr als hundert Auftritte jedes Jahr, diese Konzerte sind nun seine Hauptsache. Er spielt die alten Songs in jeweils anderen Versionen, zerstört sie, setzt sie neu zusammen. Dylan erreicht seine wahre Größe in der Revision.

Nebenbei nimmt er Platten auf: "Time Out Of Mind" (1997) mit dem unfassbar schönen 16-Minuten-Stück "Highlands". Dann "Love And Theft" (2001) und "Modern Times" ('06). Alle drei sollte man neben die Giganten aus der frühen und mittleren Phase stellen. Seine Stimme ist jetzt das wichtigste Instrument. Inzwischen ist Dylan so präsent wie zu Beginn seiner Karriere. "Modern Times" ist das erste Album seit "Desire", das in den USA Platz eins belegt. Dass ein lebender Musiker 30 Jahre zwischen zwei Hits verstreichen lässt, hat es noch nie gegeben. Nun ist er alt, er krächzt, bellt und stöhnt, so klingt die Gegenwart, in der alles aufgehoben ist. "I was so much older then / I'm younger than that now".

Wenn also einer fragte, warum Bob Dylan so wichtig ist, was würde man sagen? Er hat die Ewigkeit in den Pop gebracht.

(RP)
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