Exklusiv-Interview mit Rapper Marteria Der Hip-Hop-Kumpel von Campino

Düsseldorf · Jan Delay hat ihn gefördert, Peter Fox mit ihm sein letztes Lied aufgenommen, die Toten Hosen engagierten ihn als Songwriter. Im Interview spricht der Rostocker Marteria (29) über Campino, seine neue Single und schwule Fußballer.

So feierten Campino und die Spieler den Fortuna-Aufstieg
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Foto: TONIGHT

Es gibt einige deutsche Rapper, die in ihren Songs gegen Homosexuelle hetzen. Wenn du schwul wärst — würdest du dich öffentlich outen?

Marteria: Absolut. Frank Ocean hat es in Amerika ja gerade gemacht. Jeder Rapper, der sich outet, hat den absoluten Segen von mir.

Aber denkst du nicht, dass Schwule in der Szene Probleme hätten?

Marteria: Im Hip Hop ist eine Grundregel, dass der Schwächere verteidigt wird. Ich komme aus Rostock, und da kamen die, die von anderen ausgegrenzt wurden, immer zu uns. Jeder Mensch ist gleich — und wenn einer sagt, dass er schwul ist, dann ist das perfekt für mich. Homophobie ist dumm und hinterm Mond.

Du wurdest von Horst Hrubesch für den U17-Kader der Fußball-Nationalmannschaft nominiert. Warum outet sich kein deutscher Profi-Fußballer?

Marteria: Das ist schwierig. Auf Sportlern liegt ein zu großer Fokus. In der Musik gab es immer Schwule wie Elton John oder George Michael. Beim Sport ist es eher wie in einem Gladiatorenkäfig. Sie haben vielleicht Angst, den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden, wenn sie einen Elfmeter verschulden oder ein Eigentor schießen.

Du hast mit vielen Künstlern gearbeitet, darunter Jan Delay, Peter Fox und Casper. Mit Campino hast du an der aktuellen Platte der Toten Hosen geschrieben. Mit wem hat es am meisten Bock gemacht?

Marteria: Mit Campino hat es wahnsinnig Spaß gemacht. Das war schon was Besonderes. Zumal man das nicht so kennt: Punk-Rock und Hip Hop, das ist für die Leute nicht so greifbar, dass die zusammen Musik machen. Dass die Platte so erfolgreich ist und alles andere rasiert, das ist schon heftig.

Ihr scheint euch nicht nur musikalisch gut zu verstehen.

Marteria: Das mit Campino ist schon 'ne richtige Freundschaft. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Wir quatschen fast jeden Tag, sind auch vergangene Saison zum FC Liverpool gefahren und waren zusammen im Stadion.

Du hast mal gesagt, dass du gerne mit Herbert Grönemeyer oder Jay-Z, Björk oder Udo Lindenberg zusammen arbeiten würdest. Wie weit bist du da?

Marteria: Björk ist meine Lieblingskünstlerin, wegen der bin ich inspiriert worden, Musik zu machen. Ich würde jeden Cent, den ich habe, dafür geben, wenn ich mit ihr 'nen Song machen könnte.

Und mit Scooter?

Marteria: (lacht) Nee.

Tokio Hotel?

Marteria: Nein.

Udo Jürgens?

Marteria: Da wo ich herkomme und was unsere Musik ist, da gehen einige Sachen nicht. Die sind peinlich. Mit Yasha und Miss Platnum klappt es aber.

Gerade läuft "Feuer" im Radio — eher ein Party-Song.

Marteria: Bei "Feuer" geht es nicht darum, dass ich den krassesten Song der Welt mache. Es muss nicht immer alles wahnsinnig tief sein. Jetzt im Sommer, da brauche ich einfach Mucke, bei der ich feiern kann.

Wann wird Marteria an der Spitze der Charts stehen?

Marteria: Ich bin ja Nummer eins gewesen mit der Hosen-Platte.

Das verbuchst du als deinen Erfolg?

Marteria: Logisch. Wir haben die Platte ja zusammen geschrieben.

Aber wann wird dein Name ganz oben stehen?

Marteria: Ich werde als Marteria eine Nummer-eins-Platte haben. Wenn alles gut läuft, sollte die nächste auf eins gehen. Aber im Grunde ist das auch scheiß egal. Wichtig ist, dass eine Platte sich trägt und den Leuten was gibt. Unsere Fan-Base ist so, dass die nicht alles blind kauft, sondern sagt: "Jetzt liefer mal an, Alter!"

Wenn du von der Masse wahrgenommen wirst, dann vor allem wegen "Verstrahlt". Hast du Angst, dass du auf den einen Song reduziert wirst?

Marteria: Werde ich nicht. Es gibt auf einer Platte halt immer einen Hit. Beim Album "Zum Glück in die Zukunft" war das eben "Verstrahlt".

Der wurde im Radio ja aber auch nicht rauf- und runtergespielt...

Marteria: Bevor unsere Platte rauskam, war Hip Hop voll am Arsch. Diese Platte hat es ermöglicht, dass so Leute wie Casper und Cro an den Start kommen. Auf einmal ist Hip Hop wieder eine richtige Wucht. Damals haben sich die Leute totgelacht, wenn man gesagt hat, dass man im Radio mal bitte "Verstrahlt" spielen soll. Da hat die Platte eine Menge zu beigetragen.

Bist du stolz darauf, dass du Hip Hop wieder salonfähig gemacht hast?

Marteria: Voll. Der Unterschied zwischen mir und den anderen Leuten damals war, dass die anderen sich abgewandt haben. Die haben gesagt, dass sie Singer-Songwriter-Musik machen und weg vom Hip Hop gehen, weil sie dachten, dass sie dadurch Platten verkaufen können. Aber darum geht's nicht. Es geht halt nur um gute Musik. Die Leute stehen auf Sprache, das war bei Schiller und bei Goethe schon so. Das ist ein deutsches Ding.

(spol)
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