Der Entertainer wird 75 Jahre alt Die Kunst, Udo Jürgens zu sein

Düsseldorf (RP). September wird Udo Jürgens 75 Jahre alt. Feiern wird er das Ereignis mit Konzerten und einer CD mit Hits aus seiner 50 Jahre währenden Karriere. In Düsseldorf gewährte er nun Einblick in das Phänomen Udo Jürgens.

Udo Jürgens: Sein Leben in Bildern
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Man guckt Udo Jürgens sehr gerne dabei zu, wie er Udo Jürgens ist. Wie er von früher erzählt, und die auf dem Tisch ruhende rechte Hand in die Luft wirft, um die Begriffe "Party machen", "Beatles" und "Woodstock" zu unterstreichen. "Ich bin sicher kein idealer Ehemann", sagt er, und das "sicher" spricht er scharf: "ßicher". Dabei zuckt die linke Augenbraue, das sieht nach Lockbewegung aus, nach "Komm mal her". Man kann sich vorstellen, wie das früher in München lief oder auf Sylt. Der Satz, die Braue, das Zischen. Da hing der Himmel für so manche voller Geigen. Aber auf Affären möge man nicht zu sprechen kommen, bittet der Veranstalter.

"Dankbar für meine gute Verfassung"

Denn nun ist Udo Jürgens in Düsseldorf. Er sitzt im Parkhotel und macht Werbung für die anstehende Tournee und die neue CD mit seinen besten Liedern. Anlass: der 75. Geburtstag am 30. September. Er sei "dankbar für seine gute Verfassung", sagt er. Er sitzt einfach nur da, und man denkt sofort: Bademantel, gläserner Flügel, Amore, alte BRD. Ein wenig müde wirkt er anfangs. Erst allmählich wird er warm. Einen dieser Tests habe er machen lassen, sagt er, Ausdauer und so. Sein biologisches Alter liege demnach 20 Jahre unter dem tatsächlichen. Wenn er so was erzählt, solche Tollitäten, lacht er mit hoher Stimme. Ein "Hihi"-Lachen, das nicht zu ihm passen mag, aber sympathisch ist.

Slipper, Jeans, knitterfreies Hemd

Er sieht gut aus. Slipper, Jeans, knitterfreies Hemd über der Hose, grau das Sakko, aber nicht das Haar. Genau genommen liegen nur zwei Falten, die wirklich als Falten durchgehen, in seinem Gesicht. Links und rechts rahmen sie den Mund wie eine geschwungene Stimmgabel. An Keith Richards von den Rolling Stones komme er damit jedenfalls nicht heran, sagt er. Hihi.

Zurzeit ist er wieder sehr populär. Die Gitarrenband Sportfreunde Stiller steht mit seinem Titel "Ich war noch niemals in New York" auf Platz neun. Er war ein bisschen enttäuscht, dass die Jungs den Song so detailgetreu nachgespielt haben "und nicht progressiver". Dabei schlägt er mit der Faust ins Leere.

Gegenwart angemessen beschreiben

Jugend, das ist sein Thema. "Als ich anfing, gab es in Deutschland nur drei Sorten von Liedern. Über Seemänner, über Cowboys und über Italien." Er habe daran mitgearbeitet, ungewöhnliche Worte zu finden, eine andere Sprache zu sprechen, Liebe auszudrücken, ohne Dinge zu sagen wie: "Schön, dass du da bist." Allmählich begannen auch andere Künstler, Gegenwart angemessen zu beschreiben, "das ging bis zur Neuen Deutschen Welle". Offensichtlich verfolgt er die Entwicklung der populären Kultur. Er benutzt das Wort "Dancefloor", doziert über Rap, beklagt das Fehlen von politischen Stücken in den Charts und lobt Christina Stürmer. "Ich brenne vor Neugier."

Er schafft es, binnen drei Minuten zwischen rhetorischem Rummelboxer und pastoralem Orakel zu wechseln. Zwischen einem Satz wie "Ich kenne keinen Mann, der Fan von schönheitsoperierten Frauen ist". Und "Ohne Pathos gibt es keine Kunst, da bleibt das Herz außen vor".

"Ich bin ein Jazzer"

Wie er sich selbst sieht? "Ich bin ein Jazzer", sagt er. 1951 legte er seinen Namen Udo Jürgen Bockelmann ab und nannte sich kurzzeitig Udo Bolan. Er spielte Vibraphon und lebte die Improvisation. Auf der Bühne und dahinter. Noch 2004 hieß eine CD von ihm "Es lebe das Laster". Und vielleicht ist es das, was ihn neben seinen unverwüstlichen Melodien und den durchaus subversiven Texten populär macht: das Selbstbewusstsein, das eigene Leben als gleichberechtigtes Werk neben die Musik stellen zu können.

Eine Form der Männlichkeit, die es nicht mehr gibt

Jürgens lebt eine Form der Männlichkeit, die es heute nicht mehr gibt. Er verbindet Unbekümmertheit mit Weihe, Kumpelhaftigkeit und Aristokratie. Als einer fragt, ob ihm mal was daneben gegangen ist, sagt er: "Müsste ich mal in der Liste meiner tausend Songs nachschauen." Er lebt eine lässige Souveränität. Er schwärmt, wie wichtig die 68er-Bewegung war, ist mit Uschi Obermaier befreundet. Er lebt in Zürich und trägt auf dem Cover der neuen CD rotes Einstecktuch zu schwarzem Seiden-Anzug. Man begreift: Dieser Mann fasziniert, weil er etwas erreicht hat, wonach so viele streben. Persönliche Freiheit.

(RP)
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