Eurovision Song Contest Beim ESC erhalten die Zuschauer mehr Macht

Hamburg · Um den Lieder-Wettbewerb spannender zu gestalten, hat die Europäische Rundfunkunion die Punktevergabe radikal verändert. Jetzt erhalten die Zuschauerstimmen mehr Gewicht und werden erst am Ende der Show verkündet.

ESC 2016: Alle Teilnehmer des Eurovision Song Contests
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ESC 2016 in Stockholm: Das sind die Teilnehmer

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Foto: dpa, hk soe

"Douze points" - auf diese zwei Wörter müssen die Fans des Eurovision Song Contest (ESC) glücklicherweise nicht verzichten. Wenn sie auch selten im Zusammenhang mit Deutschland genannt werden. Aber immerhin werden sie noch ausgesprochen: Ab dem ESC-Finale im Mai in Stockholm wird nur noch die Top-Wertung eines Landes, nämlich besagte zwölf Punkte, von einem Repräsentanten angesagt. Alle anderen Ergebnisse der Jury (zehn, acht, sieben etc.) werden eingeblendet. Um Zeit zu sparen für die eigentliche Revolution, die durch Tele-Voting ermittelten Stimmen der Zuschauer. Sie werden von der Jury-Wertung abgekoppelt, addiert und am Ende der Show verkündet. Beginnend mit dem Land, das die wenigsten Punkte bekommen hat. So bleibt der Wettstreit bis kurz vor Schluss spannend, weil die Zuschauer möglicherweise andere Lieder als die Jury favorisieren und die Gesamtwertung über den Sieger entscheidet.

50:50 nicht mehr zeitgemäß

Bisher wurden die Urteile der Jury und die der Zuschauer im Verhältnis 50 : 50 gewichtet und gemeinsam am Ende des Abends in einem Abstimmungsmarathon verkündet. Das erschien der Europäischen Rundfunkunion (EBU), die den Sängerwettstreit veranstaltet, aber nicht mehr zeitgemäß. "Die neue Art der Präsentation ist ein großer Schritt hin zu einer besseren Fernsehshow und einem spannenderen Wettbewerb", sagte EBU-Supervisor Jon Ola Sand. So sei garantiert, dass der Song, der bei den Zuschauern am besten ankomme, auch zwölf Punkte erhalte, unabhängig vom Ergebnis der Jurys. Zudem zeichnete sich teilweise schon lange, bevor alle Länder ihre Stimmen abgegeben hatten, ein Sieger ab. Im vergangenen Jahr in Wien stand Måns Zelmerlöw aus Schweden rund 20 Minuten vor dem Ende so gut wie fest. Durch die Punkte der Zuschauer aber, die zu denen der Jurys addiert werden (jeweils maximal zwölf, die Punktezahl wird sich also verdoppeln), kann das Ergebnis aber über den Haufen geworfen oder zumindest leicht verändert werden.

Platz 25 statt 27

Nach dem neuen System wäre Deutschland im vergangenen Jahr auf dem 25. statt auf dem 27. und letzten Platz gelandet. Die deutsche Sängerin Ann Sophie erhielt zwar von der Jury 24 und vom Publikum fünf Punkte. In der Summe ergab das aber null Punkte, weil Ann Sophie zwar häufiger den elften, zwölften oder 13. Platz belegt hat, es aber nur für eine Platzierung unter den ersten zehn Punkte gibt. Nach dem neuen System würden die Bewertungen einfach aufgerechnet: Deutschland hätte 29 Punkte. Anders herum war nicht der Sieger aus Schweden auch der Favorit der Zuschauer - die hatten für die italienischen Tenöre Il Volo votiert. Im Endergebnis hätte es die Italiener aber vom dritten nur auf den zweiten Platz befördert.

Die Zuschauer erfahren bei dem neuen Verfahren nicht, aus welchem Land wie viele Punkte kamen. Diese Details würden im Anschluss im Internet veröffentlicht, erklärte die EBU. Dann lässt sich für ESC-Statistiker auch nachvollziehen, welche Nachbarn sich unterstützen und welche sich den kleinsten Erfolg missgönnen. Für den Eurovision Song Contest ist das neue Bewertungssystem wohl die gravierendste Veränderung, seit die Punktevergabe 1975 eingeführt wurde.

"Dann wird man fallen gelassen"

Aber der ESC macht nicht nur mit historischen Umwälzungen von sich reden. Eine Woche vor dem deutschen Vorentscheid hat sich Sängerin Ann Sophie Dürmeyer enttäuscht über die ARD gezeigt. Sie fühle sich nach ihrem erfolglosen Start beim Eurovision Song Contest (ESC) im vergangenen Jahr von der ARD im Stich gelassen. "Von der Plattenfirma und von der ARD wurde mir vorher viel versprochen - nichts wurde gehalten", sagte die Sängerin dem Magazin "Stern".

Es sei peinlich, dass sich ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber noch nicht einmal von ihr verabschiedet habe. "Wenn man in diesem Zirkus keinen Erfolg hat, wird man fallen gelassen", kritisierte die 25-Jährige. Heute hat sie ein Theaterengagement in Dresden und tritt weiterhin als Sängerin auf. Vom Eurovision Song Contest hat sie sich abgewendet. Dürmeyer: "Von den Künstlern, die jetzt mitmachen, kenne ich keinen."

(RP)
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